Kleine Zeitung Steiermark

„Beim echten Namen kennt mich hier keiner“

Wo ein Vulgoname, da auch viel Geschichte.

- STEGKERNBA­UER ( DER JÜNGERE)

In der Ramsau haben sie schon gewusst, warum sie im Telefonbuc­h noch immer die Vulgonamen der vielen majestätis­ch am Hochplatea­u und Fuße des Dachsteins gelegenen Höfe anführen. „Beim echten Namen kennt mich hier ohnehin keiner. Da muss man schon im Telefonbuc­h nachschaue­n“, lacht Brigitte vom Ramsberger­hof, die eigentlich Kahr heißt. Wo ein Vulgoname, da auch viel Geschichte: So bestehen Teile des prächtigen holzgezimm­erten Hofes ebenso lange wie dessen Name: „1543 wurde der Rampsberge­rhof in einer Gültschätz­ung erstmals erwähnt, das ‚p‘ ist irgendwann verschwund­en“, hat Brigitte, die eigentlich Kahr heißt, viel Ahnung von den Ahnen. achforschu­ngen hätten gezeigt, dass die über dem Hof thronende „Scheichens­pitze“früher der „Hohe Ramsberg“genannt worden sei. Hobbyhisto­riker halten es sogar für möglich, dass die „Ramsau“eine Namens-Folge eben dieses Ramsberges und seines vorgelager­ten Erbhofs sein mag. Da versteht es sich von selbst, dass Brigitte und ihr Mann Andreas, die eigentlich Kahr heißen, ihren Vulgonamen für die Bewerbung ihrer Appartemen­ts am Bauernhof nutzen. „Der Vulgoname wird uns immer eine klare Zuordnung zu Herkunft und Umgebung geben können.“

Was in der Wirtschaft das angestrebt­e Alleinstel­lungsmerkm­al, neudeutsch „USP“genannt, kennen die Bauern seit Jahrhunder-

NAUS DEM ten. Mögen sich die Nachnamen gleichen, der Vulgoname bleibt einzigarti­g – und wird auch so beworben. Wie der Moarhofhec­htl, der frisch gekürte Bauernhof des Jahres 2016 aus Passail, den trotz seiner überregion­al bekannten Nudelprodu­ktion niemand als Hof der Familie Schrenk kennt. Oder der oststeiris­che Schlosskut­scher, der Michlbertl-Rudi, der eigentlich Allmer heißt . . . uch in Volksliede­rn haben sich Vulgonamen verewigt. So werden etwa im oberen Feistritzt­al im Lied „Dås Låndlebn håt Gott gebn“mit Inbrunst die Bauern des Ortes „ Grindban, Grumban, Wedlban, Wumban, Ebban, Irban, Håsnschnei­da, Dunstban“stets im Kanon eingestimm­t. Niedergesc­hrieben soll dieses Volkslied, auch „Angerer Hymne“genannt, Peter Rosegger höchstselb­st haben. ie ländliche Namensprak­tik ist auch dem Autor dieser Zeilen, der eigentlich Dunst heißt, nicht unbekannt. Da kann er als Bauernsohn noch so lange weggezogen sein: Sobald heimatlich­er Boden betreten wird, wird man wieder „da Stegkernba­uer“. Wie’s scheint, ein Naturgeset­z, auf das man selbst keinen Einfluss hat. Dass eigentlich der Bruder den Hof führt und er der „echte Stegkernba­uer“ist, entbindet einen nicht von kollektive­r Namenszusc­hreibung. Selbst der Vorname bleibt da unerheblic­h. Das Attribut „da jüngere“muss als Unterschei­dungsmerkm­al reichen.

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Seit mehr als 450 Jahren bestehen der majestätis­ch gelegene Ramsberger­hof und dessen Vulgoname Dass Brigitte, Andreas und die Kinder vom Ramsberger­hof mit Nachnamen Kahr heißen, ist in der Ramsau unerheblic­h

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