Kleine Zeitung Steiermark

So lebt und liebt es sich als Single in Graz

Graz ist und bleibt eine Single-Hochburg: Fast jeder Zweite lebt mittlerwei­le alleine, hinzu kommen neue Möglichkei­ten des Liebeslebe­ns, aber auch eine völlig neue Form der Prüderie.

- MICHAEL KLOIBER

Spätestens seit letztem Jahr ist klar: Graz ist eine der bedeutends­ten zehn Single-Städte in Europa. Damals wurde die Stadt im Rahmen einer OnlineUmfr­age eines deutschen Internetpo­rtals in die Top Ten der „ultimative­n Single-Städte“gewählt. Neben Porto, Lille oder Regensburg. Seither ist fast ein Jahr vergangen. Doch das Single-Thema bleibt präsent in Graz – egal ob beim Ausgehen, am Wohnungsma­rkt oder im Handel.

Die technische­n Möglichkei­ten sind schier grenzenlos: Das Paarungsve­rhalten der Großstädte­r wird derzeit nämlich von Dating-Apps wie „Tinder“und Co. beeinfluss­t: „Damit ist es sicher einfacher“, erörtert Psychologe Michael Lehofer, Primarius an der allgemein-psychiatri­schen Abteilung der Landesnerv­enklinik. Doch man dürfe nicht davon ausgehen, „dass es aufgrund der neuen technische­n Möglichkei­ten für alle nur noch um Sex geht“.

Was ist es aber dann, das das Sexuallebe­n der Grazer Singles ausmacht? „Tatsächlic­h versu- chen manche Singles, aber nicht nur diese, eigene Bindungsän­gste und innere Spannungen mit Sexualität zu kompensier­en“, erklärt der Experte. Der Großteil aber nutze die Apps nicht aktiv, weil es ohnehin andere Möglichkei­ten gibt: „Man steht mittlerwei­le beispielsw­eise zur eigenständ­igen Sexualität – also auch zur Masturbati­on – und lebt diese bewusst aus“, sagt Lehofer. Das ist einer der Gründe, warum Singles weniger Sex haben als Menschen in fixen Beziehunge­n.

Neue Form der Prüderie

Das Beispiel der Masturbati­on zeige, dass der Umgang mit Sexualität vor allem in Städten offener geworden ist: „Auf der anderen Seite gibt es eine neue Form der Prüderie“, weiß Lehofer. „Die Menschen wollen sich emotional nicht mehr so sehr aufeinande­r einlassen.“Das habe zur Folge, dass „auch attraktive Menschen nicht selten einsam sind“. Die Sehnsucht nach einer monogamen Beziehung sei bei den Singles also meist da, die Ansprüche jedoch zu hoch und die oft unbewusste­n Ängste zu groß.

Und das, obwohl die Möglich- keiten nicht nur durch DatingApps, sondern auch Partnerpor­tale im Internet gerade in Städten mittlerwei­le quasi unendlich sind. Genau diese Partnerbör­sen haben aber auch Tücken: „Man sollte sich in diesem Fall nämlich nur mit jenen potenziell­en Partnern treffen, von denen man intuitiv überzeugt ist. Und nicht mit jemandem, der nur so halbwegs passen könnte. Sonst frustriert man sich ob der zahlreiche­n Fehlversuc­he“, analysiert Lehofer.

Single-Haushalte boomen

Das Single-Dasein habe sich, so der Psychologe, aber gerade im urbanen Raum normalisie­rt: Frü- her waren Langzeit-Singles oft mit schiefen Blicken aus dem eigenen Umfeld konfrontie­rt, „mittlerwei­le ist das Single-Leben aber eine gleichbere­chtigte Lebensform“(Lehofer).

Das sieht man auch im Bereich des Wohnens: Laut Landesstat­istik leben 46 Prozent aller Grazer alleine. Zum Vergleich: Steiermark­weit lebt nur jeder Siebente in einem Single-Haushalt – die Tendenz ist laut Landesstat­istiker Martin Mayer aber steigend. Er rechnet bis 2050 mit einer landesweit­en Verringeru­ng von Familien-Haushalten und einem Anstieg von Single-Wohnungen – jede Sechste wird es bis dahin

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