So lebt und liebt es sich als Single in Graz
Graz ist und bleibt eine Single-Hochburg: Fast jeder Zweite lebt mittlerweile alleine, hinzu kommen neue Möglichkeiten des Liebeslebens, aber auch eine völlig neue Form der Prüderie.
Spätestens seit letztem Jahr ist klar: Graz ist eine der bedeutendsten zehn Single-Städte in Europa. Damals wurde die Stadt im Rahmen einer OnlineUmfrage eines deutschen Internetportals in die Top Ten der „ultimativen Single-Städte“gewählt. Neben Porto, Lille oder Regensburg. Seither ist fast ein Jahr vergangen. Doch das Single-Thema bleibt präsent in Graz – egal ob beim Ausgehen, am Wohnungsmarkt oder im Handel.
Die technischen Möglichkeiten sind schier grenzenlos: Das Paarungsverhalten der Großstädter wird derzeit nämlich von Dating-Apps wie „Tinder“und Co. beeinflusst: „Damit ist es sicher einfacher“, erörtert Psychologe Michael Lehofer, Primarius an der allgemein-psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik. Doch man dürfe nicht davon ausgehen, „dass es aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten für alle nur noch um Sex geht“.
Was ist es aber dann, das das Sexualleben der Grazer Singles ausmacht? „Tatsächlich versu- chen manche Singles, aber nicht nur diese, eigene Bindungsängste und innere Spannungen mit Sexualität zu kompensieren“, erklärt der Experte. Der Großteil aber nutze die Apps nicht aktiv, weil es ohnehin andere Möglichkeiten gibt: „Man steht mittlerweile beispielsweise zur eigenständigen Sexualität – also auch zur Masturbation – und lebt diese bewusst aus“, sagt Lehofer. Das ist einer der Gründe, warum Singles weniger Sex haben als Menschen in fixen Beziehungen.
Neue Form der Prüderie
Das Beispiel der Masturbation zeige, dass der Umgang mit Sexualität vor allem in Städten offener geworden ist: „Auf der anderen Seite gibt es eine neue Form der Prüderie“, weiß Lehofer. „Die Menschen wollen sich emotional nicht mehr so sehr aufeinander einlassen.“Das habe zur Folge, dass „auch attraktive Menschen nicht selten einsam sind“. Die Sehnsucht nach einer monogamen Beziehung sei bei den Singles also meist da, die Ansprüche jedoch zu hoch und die oft unbewussten Ängste zu groß.
Und das, obwohl die Möglich- keiten nicht nur durch DatingApps, sondern auch Partnerportale im Internet gerade in Städten mittlerweile quasi unendlich sind. Genau diese Partnerbörsen haben aber auch Tücken: „Man sollte sich in diesem Fall nämlich nur mit jenen potenziellen Partnern treffen, von denen man intuitiv überzeugt ist. Und nicht mit jemandem, der nur so halbwegs passen könnte. Sonst frustriert man sich ob der zahlreichen Fehlversuche“, analysiert Lehofer.
Single-Haushalte boomen
Das Single-Dasein habe sich, so der Psychologe, aber gerade im urbanen Raum normalisiert: Frü- her waren Langzeit-Singles oft mit schiefen Blicken aus dem eigenen Umfeld konfrontiert, „mittlerweile ist das Single-Leben aber eine gleichberechtigte Lebensform“(Lehofer).
Das sieht man auch im Bereich des Wohnens: Laut Landesstatistik leben 46 Prozent aller Grazer alleine. Zum Vergleich: Steiermarkweit lebt nur jeder Siebente in einem Single-Haushalt – die Tendenz ist laut Landesstatistiker Martin Mayer aber steigend. Er rechnet bis 2050 mit einer landesweiten Verringerung von Familien-Haushalten und einem Anstieg von Single-Wohnungen – jede Sechste wird es bis dahin