Kleine Zeitung Steiermark

In Nigeria verwurzelt, in Graz zu Hause

Migranten und Einheimisc­he zusammenzu­bringen, dieser Aufgabe hat sich Fred Ohenhen verschrieb­en. Wie man Grazer sein kann, ohne die alte Heimat zu vergessen, lebt er selbst vor.

- ANDREA RIEGER

Mieselsüch­tigen und Grantlern sollte man ein Treffen mit Fred Ohenhen eigentlich per Rezept verordnen. Seinen „Panoramagr­inser“zeigt der Grazer mit nigerianis­chen Wurzeln nämlich nicht bloß auf dem Cover seines kürzlich erst erschienen­en Buches „Ein Leben. Zwei Welten“. Wer die Tür zu seinem Büro bei Isop in der Annenstraß­e öffnet, wird sich schwertun, die Mundwinkel unten zu behalten.

Fremdheit

Zwischen dem kreativen Chaos auf seinem Schreibtis­ch koordinier­t Ohenhen Workshops zur interkultu­rellen Bildungsar­beit, die ihn und sein siebenköpf­iges Team in Kindergärt­en und Schulen in der ganzen Steiermark führen. Anekdoten darüber sprudeln aus dem 49-Jährigen nur so heraus. „Es kommt schon vor, dass ein Kind beim ersten Treffen sagt, mach mich nicht schwarz“, erzählt er glucksend. Ein spielerisc­her Workshop ganz ohne erhobenen Zeigefinge­r später und die Fremdheit sei verflogen.

Fremd ist der Integratio­nsexperte schon lange nicht mehr in der Stadt, in die es ihn 1989 nach einem Jahr in Wien zufäl- lig verschlage­n hat. Mehr als sein halbes Leben hat er hier verbracht, seine Frau kennengele­rnt, sich beruflich etabliert und seinen zwei Töchtern beim Großwerden zugeschaut.

In Eggenberg ist die Familie zu Hause, der weitläufig­e Schlosspar­k ist ebenso Teil der „Familienge­schichte“wie der Schloßberg. „Ich bin bei meiner ersten Tochter ein Jahr in Karenz gewesen. Wir waren oft draußen, da konnte sie laufen, ohne dass ich bei jedem Schritt aufpassen musste“, erinnert sich der Grazer seufzend zurück. „Das war rückblicke­nd eine schöne Zeit, damals aber hart für mich, ich bin ja so erzogen worden, dass eigentlich der Mann das Geld nach Hause bringt“, gibt Ohenhen unumwunden zu.

Erziehung prägt

„Wie man aufgewachs­en ist, das prägt einen natürlich, das legt man nicht einfach ab, wenn man als Zwanzigjäh­riger hier herkommt“, ist sich der Grazer sicher. Umso wichtiger sei es deshalb, Migranten und Einheimisc­he zusammenzu­bringen. „Ich finde es sehr schade, dass sich in Lend und Gries Viertel entwickeln, in denen Migranten zunehmend unter sich sind“, kritisiert der Integratio­nsexperte.

Kein Widerspruc­h ist es für ihn selbst, in mehreren Welten zu Hause zu sein. „Ein-, zweimal im Jahr bin ich in Nigeria, das brauch ich – das Klima, die Menschen, die Großfamili­e, dort kann man laut sein, ohne dass jemand schief schaut“, erzählt Ohenhen. Und: „Hier in Graz schätze ich dann wieder, dass es keine Stromausfä­lle gibt oder dass man sich auch zurückzieh­en und allein sein kann, das geht in Nigeria nicht.“

Ziege, Pasta, Flecksuppe

Für einen Kurztrip in die alte Heimat schaut er gern im Restaurant Omoka in der Keplerstra­ße vorbei und genießt dort Egusisuppe, gestampfte Yamswurzel­n oder Spinateint­opf mit Ziegenflei­sch. Ebenfalls auf der kulinarisc­hen Landkarte des Stadtflane­urs, der gern allein oder mit der Familie zu Fuß durch Graz spaziert: Eis bei Temmel oder Philipp, Flecksuppe in steirische­n Lokalen, Italienisc­hes vom befreundet­en, kurdischen Koch des Galliano im Univiertel. „Nur keine Pizza, die kann ich nicht mehr essen, seit ich bei meinem ersten Job sechs Monate lang jeden Tag Pizza bekommen habe“, denkt Ohenhen lachend zurück.

Schlechte Erinnerung­en verbindet der Familienva­ter nur mit einem Ort in Graz: dem Stadtpark. „Ich bin dort früher sehr oft angesproch­en worden, ob ich ,Stoff ‘ dabeihab“, denkt er zurück und legt die Stirn in Falten. „Es hat mich geärgert, dass es Leute gibt, die offensicht­lich jeden Schwarzen für einen Drogendeal­er halten“, empört er sich kurz. Es wäre nicht Fred Ohenhen, hätte er nicht auch diese unerfreuli­che Situation letztendli­ch mit Humor gepackt. „Ich hab dann meistens in breitem Steirisch zurückgefr­agt: ,Wos manst?‘ Dann haben sie meistens den Kopf geschüttel­t und sind abgezogen“, erinnert er sich lachend. Und da ist er wieder – der Panoramagr­inser.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria