Angela Merkels Schicksalsgipfel
Wie in Europa die Grenzen neu geschrieben werden.
Vor dem großen Flüchtlingsgipfel ab Donnerstag in Brüssel findet sich Angela Merkel mit ihrer Politik des Willkommens in Europa so einsam wie nie.
Nicht nur die Osteuropäer machen gegen die Pläne der deutschen Kanzlerin zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU mobil. Nun ist sogar Frankreich auf Distanz zu Merkels Idee gegangen, mit der Türkei Flüchtlingskontingente auszuhandeln. Die Tür ist zu, lautet die Botschaft auch aus Paris.
Von allen Rückschlägen dürfte die Kanzlerin diese untersagte Hilfeleistung am meisten schmerzen. Frankreich und Deutschland sehen sich als unersetzlichen Motor der EU und haben das die anderen Länder in der europäischen Krise auch spüren lassen. Im Alleingang verhandelten Merkel und der französische Präsident Hollande mit dem störrischen Griechenpremier Tsipras über ein drittes Rettungspaket, im Alleingang brachten sie mit Kremlchef Putin in Minsk einen Friedensplan für die Ukrai- ne auf den Weg. In einer Union, in der es offiziell nur Gleichrangige gibt, hat das für gehörigen Unmut gesorgt, der sich nun offen Luft verschafft.
Merkels Autoritätsverlust in der EU ist dramatisch. Noch vor einem halben Jahr als Kutscherin Europas gefeiert, muss sie bei ihren europäischen Partnern um Gehör betteln. Natürlich trägt die Kanzlerin nicht die alleinige Schuld an den Menschenströmen. Den Krieg in Syrien hat sie nicht vom Zaun gebrochen. Ihr verhängnisvollster Fehler war es, mit ihrem „Wir schaffen das“nicht nur Deutschland, sondern gleich ganz Europa in Geiselhaft genommen zu haben.
Gelingt es Merkel noch einmal, die Europäer in Brüssel zum Minimalkonsens zu bewe- gen? Die Zeichen dafür stehen schlecht. Scheitert die Kanzlerin, wird das aber Deutschlands ohnehin ramponierte Macht in Europa noch mehr schwächen. ber so eigenartig es klingen mag: Es könnte ihr die Kanzlerschaft retten. Machen die Länder Südosteuropas nämlich jetzt in Eigenregie die Grenzen dicht, hätte Merkel zwar nicht die schöne gesamteuropäische Lösung, die sie immer wollte, sondern nur die hässliche nationalstaatliche. Aber der Weg nach Deutschland wäre blockiert.
Für das vereinte Europa ist das alles katastrophal. Es erlebt gerade das Ende eines Traums. Jedes Land errichtet seinen eigenen kleinen Zaun. Mehr als das: Mit der Abschottung Mazedoniens in Richtung des krisengebeutelten Griechenland werden gerade die EU-Außengrenzen neu gezogen. Das ist Gift für die Gemeinschaft und wird die garstigen Risse quer durch Europa weiter vertiefen.
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