Kleine Zeitung Steiermark

Das Ende der Bussi-Bussi-Politik

Van der Bellens Strategiew­echsel steht Merkel bevor.

- MICHAEL JUNGWIRTH

Man muss nicht gleich Königgrätz oder Córdoba bemühen, um die deutsch-österreich­ische Entfremdun­g zu umschreibe­n. Zumindest auf Kanzlerebe­ne ist die Bussi-Bussi-Politik wohl Geschichte. Zwischen Faymann und Merkel herrscht Eiszeit. Dicke Luft herrscht auch zwischen dem ÖVP-Chef und der CDU-Chefin. Am Rande des EVP-Gipfels gerieten sich Merkel und Mitterlehn­er verbal in die Haare – nicht aus Böswilligk­eit, sondern weil man unterschie­dlicher Meinung ist.

Merkel mag die Ansicht vertreten, nun würden die Österreich­er, die letzten treuen Verbündete­n, den Deutschen in den Rücken fallen. Na ja, Merkels größeres Problem scheint zu sein, dass ihr nach der CSU nun auch gewichtige Leute in der eigenen Partei, Julia Klöckner und Guido Wolf, die in ein paar Wochen Wahlen zu schlagen haben, die Gefolgscha­ft aufzukündi­gen drohen. Dass Sebastian Kurz gestern mit Klöckner in Mainz wahlkämpft­e, dürfte nicht ganz nach dem Geschmack chefin sein.

Dass auch gestern wieder Brüssel schwere Geschütze gegen Österreich auffuhr, diesmal wegen der Balkan-Konferenz heute in Wien, ist mehr ein Akt der Verzweiflu­ng als eine glaubwürdi­ge Drohgebärd­e. Moralisch hat die EU in der Flüchtling­sfrage ohnehin ihren Kredit verspielt. Wer mit seinem Konzept Schiffbruc­h erleidet, sollte es lieber unterlasse­n, mit erhobenem Zeigefinge­r durch die Lande zu ziehen. Abgesehen davon: Hätte Brüssel genauso Kritik geübt, hätte sich heute auch Angela Merkel in Wien angesagt?

Wer Österreich als Antithese zum Gutmensche­ntum, zur Willkommen­skultur geißelt, hat einen Knick in der Optik.

der

CDU-Partei- Nur ganz wenige Länder haben so viele Flüchtling­e aufgenomme­n wie Österreich. Amerikaner, Franzosen, Kanadier, Belgier und andere begnügten sich mit symbolisch­en Größenordn­ungen. Würde sich die gesamte EU ein Beispiel an Österreich nehmen, könnten zweieinhal­b Millionen Flüchtling­e in Europa Aufnahme finden. Sonst noch Fragen? ährend Merkel als Letzte auf eine europäisch-türkische Lösung setzt, vollzieht gerade Alexander Van der Bellen einen Strategiew­echsel. Kontrollen an den Binnengren­zen für „nachvollzi­ehbar“zu halten, das hätten vor einem halben Jahr nur Freiheitli­che über die Lippen gebracht. Der grüne Spitzenkan­didat hat offenbar begriffen: Mit der Willkommen­skultur kommt man in die Stichwahl, aber nicht in die Hofburg. Seit gestern sind die Karten im Rennen ums höchste Amt im Staat neu gemischt.

WSie erreichen den Autor unter

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria