Naturschützer: Aufstandgegen neuen Kanal
Wird der 64-Millionen-Euro-Speicherkanal morgen im Gemeinderat beschlossen, treten namhafte Mitglieder aus Naturschutzbeirat aus.
Die Ausgangslage ist unappetitlich: Wenn es stark regnet, geht das Grazer Kanalnetz über und der Schmutz wird in die Mur gespült. Um die Größenordnung des Problems zu fassen, hat die Stadt das in eine Zahl gegossen: „Das ist so, als würde das Schmutzwasser von 28.000 Personen direkt in die Mur fließen“, sagt Kajetan Beutle, Leiter der Wasserwirtschaft bei der Holding Graz.
Für diese Ausgangslage gibt es nun zwei Lösungsansätze, die sich unversöhnlich gegenüberstehen. Eine politische Mehrheit aus ÖVP, SPÖ und FPÖ sieht die Antwort im Megaprojekt „Zentraler Speicherkanal“. Kosten: 64,2 Millionen Euro, wenn man ihn parallel zum geplanten Murkraftwerk in Puntigam baut. Ohne Kraftwerk: mehr als 80 Millionen Euro. „Mit diesem Kanal wird die Wasserqualität deutlich verbessert“, sagt Thomas Rajakovics, Sprecher von Bürgermeister Siegfried Nagl. Er versteht daher nicht, dass Naturschützer sich massiv dagegen aussprechen.
Mischwasserkanal als Bürde
Prominente Naturschützer sprechen sich nämlich gemeinsam mit Grünen und KPÖ für eine ganz andere Lösung aus. Zwar sieht auch Romana Ull, Sachverständige für Natur- und Umweltschutz, dass „der Mischwasserka- nal eine historische Bürde in Graz“ist. Aber: „Graz muss diesen Kanal nicht errichten. Es kann sein, dass wir ihn in 20 Jahren brauchen, aber er muss nicht jetzt sein. Es besteht kein Grund zur Eile.“
Grünraumoffensive
Aus Sicht von Johannes Gepp, Präsident des Naturschutzbundes Steiermark, werden hier „viele Millionen in den Sand gesetzt“. Denn es gäbe Alternativen: Eine ernsthafte Grünraumpolitik, grüne Fassaden und Dächer. „Wenn wir in Graz 10.000 Flachdächer begrünen, kann bis zu 63.000 Kubikmeter Wasser gespeichert werden.“Die Überlegung dahinter: Bei Starkregen würde der Kanal nicht mehr übergehen. Zum Vergleich: Der Speicherkanal hätte ein Fassungsvermögen von 59.000 Kubikmetern.
Zusätzlich zum Kanal sehen die Naturschützer auch das Kraftwerk selbst kritisch. „Insgesamt werden bitte schön 10.000 Bäume gefällt. 10.000! Und eine knappe Million Sträucher“, so Gepp. „Beim Stadtpark mit 780 Bäumen herrscht bei jedem einzelnen eine Riesenaufregung, und da spielen 10.000 plötzlich keine Rolle?“
Das Argument, dass sie nachgesetzt werden, lässt er nicht gelten. „Das passiert teilweise im Süden von Graz, in Kalsdorf. Was haben wir in Graz davon?“
Eine wissenschaftliche Tagung zum Thema Niederschlagsmanagement in Graz bestätigte auch, dass der Grazer Boden zu wenig Wasser speichern kann, da es an Grünraum mangelt: Dominik Piringer, Projekt-