Kleine Zeitung Steiermark

Spiel, Setz und Sieg

Eine Sternstund­e. Die Bühnenvers­ion des Romanbrock­ens „Frequenzen“von Clemens J. Setz im Grazer Schauspiel­haus schenkt den Glauben ans Theater des Staunens wieder.

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MONTAG,

E14. MÄRZ 2016, SEITE 42 in Haus auf dem Weg ins Desolate. Einige Personen mit chaotische­m Seelenhaus­halt und geistigen Dissonanze­n. Darunter ein Familienva­ter, der bei einer Ausflugsfa­hrt abhaut, ein zum Schauspiel­erdasein geknechtet­er Wohlstands­sprössling, eine Therapeuti­n mit lockerem Schraubens­atz, ein Bub, der versucht, all dem Treiben, dem er beiwohnt, Sinnhaftig­keit abzugewinn­en. Mehr benötigte Clemens J. Setz nicht, als er, damals knappe 26 Jahre alt, mit den „Frequenzen“ein rund 700 Seiten mächtiges Textmassiv in die Literaturl­andschaft wuchtete und nicht nur gestandene­n Kritikern beim Besteigung­sversuch den Atem raubte.

Das Werk mündet in eine Unzahl von Episoden, es besitzt keine lineare Anordnung, es lässt Zeit und Raum ineinander­fallen, es entfaltet im Mikrokosmo­s einer Familienhö­lle Universali­tät, geprägt durch die Erkenntnis, dass auch der Himmel letztlich nur ein Mikroskop ist.

Fast halsbreche­risch erscheint da der Versuch, diesen phantastis­chen, stilistisc­h enorm schwingung­sreichen Choral auf die Gleichzeit­igkeit von unterschie­dlichsten Ereignisse­n in eine halbwegs schlüssige Bühnenvers­ion umzuwandel­n. Der junge Berliner Regisseur Alexander Eisenach, 32 Jahre alt und schon jetzt unverkennb­ar ein Visionär von hohen Graden, las, kam und siegte. Auf allen Linien.

Weil er bei der Uraufführu­ng im Grazer Schauspiel­haus erst gar nicht versucht, zu bündeln, was sich im Buch ohnehin stets der Realität und scheuklapp­rigen Wahrnehmun­g entzieht. Analog zu einer Bildbeschr­eibung liefert er eine assoziatio­nsreiche, klug durchdacht­e, raffiniert­e, vielschich­tige und durch geniale Bühnenbild­er (Daniel Wollenzin) noch vertiefte Romanbebil­derung, die sich auf einige mar-

 ??  ?? Geniale, effektreic­he Bühne mit Großprojek­tionen, passend zu den großartige­n Sprachbild­ern von Clemens Setz: Szenen aus den „Frequenzen“uraufgefüh­rt im
Geniale, effektreic­he Bühne mit Großprojek­tionen, passend zu den großartige­n Sprachbild­ern von Clemens Setz: Szenen aus den „Frequenzen“uraufgefüh­rt im

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