Anschlag zielte auf das Herz
Das Busattentat mit 37 Toten in Ankara zeigt: Der Terror hat das Land immer fester im Griff. Präsident Erdogan˘ setzt auf Härte – und heizt den Kurdenkonflikt weiter an.
Ein Terroranschlag in der türkischen Hauptstadt hat eine besondere Signalwirkung, kommentierte der Publizist Ali Nihat Özcan im türkischen Fernsehen die jüngste Attacke mit 37 Toten. „Als Anschlagsort hat Ankara natürlich Symbolcharakter.“Hier ist das Zentrum der Türkei. Der Soziologe Erdinç Yazıcı pflichtet ihm bei: „Das ist ein Anschlag, der direkt in das Herz des Landes zielt.“
Am Sonntagabend explodierte in der Innenstadt eine Autobombe an einer Bushaltestelle neben einem voll besetzten Linienbus. In dem Viertel befinden sich die Ministerien für Inneres und Justiz sowie ein Gericht. Die Detonation geschah am zentralen Kızılay-Platz, mitten im Zentrum von Ankara. Während der GeziProteste im Sommer 2013 fanden hier regierungskritische Demonstrationen statt, seitdem bewacht ein starkes Polizeiaufgebot die Gegend.
Es habe sich um einen Selbstmordanschlag gehandelt, sagte Innenminister Efkan Ala. Nach Angaben der Regierung soll eine Attentäterin der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für den Anschlag in der Hauptstadt verantwortlich sein. 37 Menschen wurden bei der Tat getötet. Rund 17 der mehr als 120 Verletzten seien noch auf der Intensivstation, hieß es gestern.
Ausgangssperre
Der Anschlag heizt den Kurdenkonflikt nun weiter an. Als Reaktion verstärkt die Türkei ihren Einsatz gegen die PKK. Noch in der Nacht flog die türkische Luftwaffe Angriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak. In der Südosttürkei verhängte die Regierung zur Vorbereitung von Einsätzen eine Ausgangssperre über die Stadt Sırnak,¸ Sperren in Nusaybin und Yüksekova wurden erneuert. Die regierungsnahe Zeitung „Yeni Safak“¸ berichtete, dass 20.000 Sicherheitskräfte in der Region im Einsatz seien.
Es ist bereits der dritte schwere Anschlag in der türkischen Hauptstadt binnen fünf Monaten. Zuletzt waren bei einem Anschlag auf einen Militärkonvoi 29 Menschen getötet worden. Damals hatte sich eine militante kurdische Splitterorganisation als Urheberin zu erkennen gegeben. Bei einem Selbstmordanschlag im Oktober in Ankara bei einer Friedensdemonstration kamen mehr als 100 Menschen ums Leben. Es war der schwerste Anschlag in der Geschichte der türkischen Republik und wurde der Jihadistenmiliz IS zugeschrieben.
Präsident Erdogan˘ hatte nach dem Anschlag eine harte Antwort des Staates angekündigt und erklärt, der Terror solle „in die Knie“gezwungen werden. Doch der türkische Geheimdienst sei wieder ahnungslos gewesen, kritisierte die regierungskritische Zeitung „Cumhuriyet“. Tatsächlich warnte die US-Botschaft in Ankara schon am Freitag davor, dass es genau für jenes Viertel eine Terrorwarnung gebe.