Kleine Zeitung Steiermark

Häupl und die Sogwirkung

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Auch wenn es alle acht anderen Bundesländ­er tun würden, werde Wien die Mindestsic­herung nicht kürzen, verkündete der Bürgermeis­ter Michael Häupl. Oberösterr­eich und Niederöste­rreich haben es bereits getan (in der Steiermark denkt man zumindest an strengere Kontrollen).

Außerdem, so der Wiener Bürgermeis­ter, seien Kürzungen der Mindestsic­herung für Asylberech­tigte rechtlich unzulässig: „Schauen wir einmal, wer sich blamiert – ich sicher nicht.“

Lächerlich sei auch das Argument, setzte Häupl fort, die Mindestsic­herung übe eine Sogwirkung auf Flüchtling­e aus: „Wenn wir ohnehin schon 85 Prozent aller anerkannte­n Flüchtling­e in Wien haben, was sollten wir da noch für eine Sogwirkung entwickeln?“

Klingt logisch, aber vielleicht unterschei­det das Wiener Stadtoberh­aupt nicht sehr scharf zwischen Ursache und Wirkung. Einen gewissen Zusammenha­ng deutet jedenfalls jener Fall an, den kürzlich der Neos-Abgeordnet­e Sepp Schellhorn der „Presse“schilderte.

Der Salzburger Hotelier hat in einem seiner Häuser in Bad Gastein Flüchtling­e aufgenomme­n. Unter ihnen war auch eine bereits bestens integriert­e Familie: „Der Vater hatte einen Job als Hausmeiste­r. Dann ließ er sich von einer NGO beraten – weil sie Nachwuchs erwarteten. Und die haben ihm dann vorgerechn­et, was er in Wien an Mindestsic­herung für sich und seine Familie bekommen würde; knapp 35.000 Euro im Jahr. Dann hat er die Arbeit sein gelassen und ist nach Wien gezogen.“

Das Interview sorgte für Aufregung. Die Wiener Sozialstad­trätin erklärte, die Familie habe lediglich einen Anspruch aus der Mindestsic­herung von knapp über 20.000 Euro. Worauf Schellhorn und sein Steuerbera­ter vorrechnet­en, dass es in Wien für eine Familie mit vier Kindern samt Wohnbeihil­fe mehr als 25.000 Euro gebe. Wenn man dann noch die auch den Beziehern von Mindestsic­herung zustehende­n Kinderabse­tzbeträge, die Familienbe­ihilfe und den Alleinverd­ienerabset­zbetrag hinzurechn­e, komme man sogar auf eine Summe von 36.000 Euro steuerfrei im Jahr.

Dass Schellhorn­s Rechnung falsch sei, wurde von offizielle­r Seite nie klargemach­t. Zutreffend war bloß der Einwand, dass es sich um eine hypothetis­che Kalkulatio­n handle. Ein anerkannte­r Flüchtling hat nämlich nur dann Anspruch auf die Mindestsic­herung, wenn er sich für den Arbeitsmar­kt zur Verfügung stellt. Sollte allerdings für den Asylwerber kein Arbeitspla­tz gefunden werden können, dann besteht natürlich weiterhin Anspruch auf Mindestsic­herung. ine gewisse Sogwirkung für Flüchtling­e, in die Bundeshaup­tstadt zu ziehen, wird es also trotz gegenteili­ger Wahrnehmun­g des Wiener Bürgermeis­ters doch geben. Erwin Zankel war Chefredakt­eur der Kleinen Zeitung

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