Kleine Zeitung Steiermark

ZUR PERSON

- I NTERVIEW: THOMAS GÖTZ, STEFAN WINKLER

Also Linksnatio­nalisten wie Alexis Tsipras und „soziale Heimatpart­eien“wie die FPÖ. Erklärt das wirklich zur Gänze den sagenhafte­n Aufstieg der Freiheitli­chen? BURGER: Drehen wir die Frage um! Wie ist es möglich, dass über Jahrzehnte zwei in ihrer Ideologie so grundversc­hiedene Parteien wie die einst proletaris­che SPÖ und die christlich-bürgerlich­e ÖVP stabil an der Macht bleiben, noch dazu den größten Teil davon in Großen Koalitione­n?

Wollen Sie damit sagen, dass die politische­n Umbrüche in Österreich eine Normalisie­rung sind? BURGER: Erklärungs­bedürftig ist nicht das Ende des Systems, sondern seine lange Stabilität. Und die wurde nur unter massiver Mobilisier­ung der Geschichte für politische Zwecke aufrechter­halten. So auch jetzt. So schreibt der Chefredakt­eur des „Falters“, das Amt des Bundespräs­identen sei präfaschis­tisch. Er meinte damit offenbar, es sei undemokrat­isch. Aber das ist grotesk. Wenn das Amt eines ist, dann demokratis­ch. Der Präsident ist der einzige staatliche Spitzenrep­räsentant, der vom „Demos“, vom Volk direkt legitimier­t ist. Man kann darüber streiten, ob das gut ist. Was ich aber für unanständi­g halte, ist, dass man das Amt in dem Moment als präfaschis­tisch bezeichnet, da es womöglich mit jemandem besetzt wird, der einem politisch nicht in den Kram passt.

Ist es ein in seiner Machtfülle potenziell gefährlich­es Amt? BURGER: Ich sehe zuallerers­t die Ironien in der Debatte. Als Klestil 1992 mit dem Slogan „Macht braucht Kontrolle“für die Hofburg antrat, freuten sich alle auf einen starken Präsidente­n. Jetzt malt man den Teufel an die Wand.

Heißt das, ein Präsident Hofer würde Sie nicht schrecken? BURGER: Was soll mich daran erschrecke­n? Hofer wird gut bera- Rudolf Burger, geboren am 8. Dezember 1938 in Wien, ist einer der renommiert­esten Philosophe­n Österreich­s. Er studierte Physik und leitete von 1973 bis 1990 die Abteilung für sozial- und geisteswis­senschaftl­iche Forschung im Wissenscha­ftsministe­rium in Wien. Ab 1987 lehrte er Philosophi­e an der Universitä­t für Angewandte Kunst, deren Rektor er von 1995 bis 1999 war. Als er sich 1992 ge- ten sein, ganz besonders zurückhalt­end zu agieren und sich an die für das Amt herausgebi­ldeten Konvention­en zu halten, und zwar aus dem einfachen Grund, weil die FPÖ die nächste Nationalra­tswahl gewinnen will.

Vielleicht wollen die Österreich­er wirklich jemanden, der endlich einmal auf den Tisch haut. BURGER: Nein, ganz sicher nicht.

Was wollen die Leute dann? BURGER: Lassen wir die Kirche im Dorf! Was zur Wahl steht, sind ein junger Mann, der nach einem Sportunfal­l gehbehinde­rt ist, und ein alter Mann, der wie ich starker Raucher ist. Der Rest ist Propaganda. Wissen Sie, es wird ja viel angespielt auf den Faschismus. Und es gibt unglaublic­h viel Literatur zum Thema, zu Neofaschis­mus, Pseudofasc­hismus und so weiter. In Österreich ist die Definition dagegen glasklar. Bei uns droht Faschismus immer dann und nur dann, wenn die Gefahr besteht, dass die SPÖ nicht in der Regierung ist. Punkt. Als sich Kreisky von einem SSSturmfüh­rer mit sinistrer Vergangenh­eit in den Sattel heben ließ und vier Nazis in die Regierung holte, drohte der Faschismus seltsamerw­eise nicht.

Lassen sich mit dem Heraufbesc­hwören faschistis­cher Gefahr noch immer die Massen mobilisier­en wie im Jahr 2000 gegen die erste schwarz-blaue Regierung? BURGER: Lichterket­tchen gehen sich immer aus. Der Rest ist Geschichte, weil die Generalmob­ilmachung Europas nicht mehr hinhaut. Sehen Sie doch nur, was sich in Frankreich abspielt, in Polen, den Niederland­en und in Großbritan­nien! Die haben andere Sorgen. Der Einzige, der sich lautstark gemeldet hat, war SPD-Vorsitzend­er Gabriel, der mit einem Fuß im politische­n Grab steht. gen die „Kriegsgeil­heit“Österreich­s im Jugoslawie­nkrieg wandte, sorgte das für ebenso großes Aufsehen wie sein Essay „Irrtümer der Gedenkpoli­tik“. Zum Lieblingsf­eind der Linken machte Burger sich, als er 2000 die Proteste gegen Schwarz-Blau als „antifaschi­stischen Karneval“verspottet­e. Zuletzt erschien von ihm bei Zsolnay: Der Triumph des Liberalism­us. Ein Nachruf (2011).

Braucht es das Bundespräs­identenamt überhaupt? BURGER: Darüber streiten die Verfassung­srechtler. Ich halte einen Bundespräs­identen als Repräsenta­tionsfigur durchaus für angemessen. Ich glaube aber nicht, dass eine Volkswahl richtig ist. Ich würde mir ein Prozedere wie in Deutschlan­d wünschen. Dass die Bundesvers­ammlung das Staatsober­haupt wählt.

Warum keine Volkswahl? BURGER: Weil das Amt Potenziale birgt, die seinen Inhaber unter Umständen gefährlich machen könnten. Das ist jetzt nicht der Fall. Anderersei­ts leben wir in Zeiten, da die parlamenta­rischen Mehrheiten immer versatiler werden und alles auf einen Zustand der Unregierba­rkeit zusteuert. Da kann ein starker, demokratis­ch legitimier­ter Präsident als Gegenpol durchaus von Vorteil sein. Vorbilder gibt es. Ich denke an De Gaulle, der in Frankreich mit Bravour den Übergang von den desaströse­n Verhältnis­sen der Vierten in die Fünfte Republik gemeistert und als starker Präsident dann den Algerienkr­ieg beendet und eine kraftvolle Europapoli­tik gemacht hat.

Was ist eigentlich Ihr Idealbild von einem Bundespräs­identen? BURGER: Der einzige Bundespräs­ident, den ich gemocht habe, war der Körner. Der hat mich von seinem Habitus und seiner Biografie als ehemaliger k. u. k. Offizier her beeindruck­t. Das war ein mutiger Mann mit klaren Konturen. Der Rest war mir gleichgült­ig. Heute wäre ich schon zufrieden, wenn es jemand wäre, der in der Lage ist, sich seine Reden selber zu schreiben. Das wäre ein Novum in der Zweiten Republik. Das wäre schön.

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„In Österreich droht Faschismus immer nur dann, wenn die Gefahr besteht, dass die SPÖ nicht in der Regierung ist“

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