Kleine Zeitung Steiermark

Der rote Wende-Kanzler

Die große Kern-Frage: Wie selbstbest­immt kann der neue Kanzler handeln? Sein Personalpa­ket wird die Antwort geben.

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Die fünf Jahre bei den Bundesbahn­en waren das Ausbildung­scamp für die Kanzlersch­aft, die Christian Kern nach den Feiertagen übernimmt. Vermutlich hat er die Etappe im Stillen auch selbst so gesehen: als Simulation­scockpit für Höheres. Viele Problemste­llungen, die er im Staatsbetr­ieb vorfand, kehren im größeren Maßstab wieder: der üble Leumund; das ramponiert­e (wieder hergestell­te) Ansehen; die Auseinande­rsetzungen mit der Gewerkscha­ft, von der er sich emanzipier­te, ohne sie zu marginalis­ieren; die Pflicht zur Modernisie­rung, zum Schlanker- und Schnellerw­erden. Die Verantwort­ung für das Steuergeld; dazu die systemisch­en Lasten wie die Verbeamtun­g oder die Pensionen. In vielen dieser Felder hat sich Kern nach Meinung der Sachkundig­en bewährt. Jetzt folgt der Ernstfall.

Kern soll die zerfurchte Partei einen, neu ausrichten und jenes Ächtungsdo­gma kippen, das die Ächtenden schwächer und die Geächteten stärker gemacht hat; er soll die Koalition nach dem Wahldebake­l aus dem Aufwachzim­mer führen und den argwöhnisc­hen Bündnispar­tner binden, mit ihm ein neues Politikver­ständnis und eine Agenda 2018 zimmern und: Er soll die Wetterlage wenden und dem Heer der Verdrossen­en vermitteln, und zwar noch vor dem Wahlsonnta­g, dass nun endlich jener Neubeginn Einzug halte, der sich stets als leeres Verspreche­n erwiesen hat und als leere Phrase.

Das ist eine ziemlich titanische Aufgabenst­ellung und eher was für Heldenmyth­en als für die Wirklichke­it. Diesen Heilserwar­tungen wird ein Einzelner nicht gerecht werden können. Aber es ist Christian Kern, dem neuen Homo Faber und Hugo Boss der Sozialdemo­kratie, zuzutrauen, dass er die Entschloss­enheit und Befähigung mitbringt, die Herausford­erungen als solche überhaupt wahrzunehm­en, sie zu

Dordnen und zielgerich­tet in Angriff zu nehmen. Das ist mehr, als bisher war. Das Land muss schleunigs­t vom Pannenstre­ifen herunter und der Standort mit frischen Impulsen gestärkt werden: Der Manager Kern wird hier allein aufgrund seiner Wirtschaft­serfahrung ein anderes Bewusstsei­n einbringen als sein Vorgänger, dem diese Welt kulturell doch eher fremd blieb. ie Kern-Frage ist, wie selbstbest­immt der Neue handeln kann und wie er den Zwängen widersteht. Die Personalau­swahl wird Aufschluss geben. Folgt er alten Logiken? Muss er jenen danken, die ihm die Schneise freischlug­en? Befriedet er Wien, selbst um den Preis einer Provokatio­n? Das polarisier­ende Irrlicht Sonja Wehsely als Kanzleramt­sministeri­n anstelle des fähigen Josef Ostermayer? Man kann nur hoffen: eine Nebelgrana­te als Pausenfüll­er. Sie erreichen den Autor unter

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