„Der Stadt fehlt das Miteinander“
Gerhard Kosel, gamsbART-Leiter und kritischer Kopf, reflektiert die aktuelle Situation in Graz – und erklärt, was die Stadt dringend braucht.
Über 1000 Konzerte hat Gerhard Kosel mittlerweile in Graz veranstaltet – beispielsweise mit dem Verein „gamsbART“, den er seit 1991 leitet, oder beim Festival „Murszene“. In dieser Funktion konnte er in den letzten 30 Jahren einen tiefen Einblick in die Veranstalter-Landschaft und in verschiedenste Orte an der Mur gewinnen. Kein Wunder, er gilt als Förderer des Nachwuchses und Fädenzieher in der Kultur.
Der heute 56-Jährige ist zwar in Bleiburg, Kärnten, geboren, wurde durch sein Engagement aber zum wahren Grazer – und gilt gleichzeitig als Querdenker in vielen Belangen. Nach dem Aus für das Augartenfest und dem Umbruch beim Lendwirbel hat die Kleine Zeitung den kritischen Kopf zum Gespräch gebeten – über die aktuelle Lage im Grazer Szenebereich. Herausgekommen sind durchaus spannende Denkanstöße für verschiedenste Orte in Graz: Kaiser-Josef-Platz: Hier hat Kosel selbst schon kleinere Veranstaltungen organisiert, hier ist er beinahe jeden Tag. Er mag den Platz, findet aber, „dass er kein Lebensplatz ist“. Sondern? „Es ist ein Parkplatz.“Tagsüber sei der Platz wunderbar – „er spiegelt das Land in der Stadt wider“, sagt er. Wenn die Standler abziehen, ist damit aber Schluss: „Dabei wäre hier für Kreative vieles möglich.“Zinzendorfgasse: Gedanklich schweifen wir weiter durch die Stadt. Für die kleine Gasse bei der Uni regt Kosel „eine Wohn-, Geh- und Fahrradstraße“an. Mit der Ausnahme für Zufahrten: „Eine Parkmöglichkeit für maximal 45 Minuten sollte schon gegeben sein – das reicht für alle, die hier einkaufen gehen wollen.“Annenstraße: Jene Richtung, in die das Viertel geht, sei richtig, freut sich Kosel. Allein der Flohmarkt zeigt, dass das Leben dort pulsiert. Dennoch wäre eine durchgängige Fahrrad-Verbindung von der Annenstraße bis zur Uni Graz für Kosel wünschenswert. Mariahilfer- und Lendviertel: Großes Lob findet der Jazz-Kenner für das „einstige Scherbenviertel – das war ein grausig stinkendes Terrain“. Dank Veranstaltungen wie Lendwirbel, Murszene und Ansiedelungen junger, kreativer Geschäfte habe sich das Viertel aber komplett gemausert. Freiheitsplatz: Potenzial hat aber auch der Platz beim Schauspiel- GAeurhgarednKobsleil cken haus. Den könnte man auch abseits von La Strada gut bespielen, meint Kosel: „Als dort im Kulturhauptstadtjahr 2003 die Veranstaltung ,Gespiegelte Stadt‘ stattgefunden hat, sind Tausende Menschen hingekommen.“Seine Idee: „Wir könnten jeden Sommer einen Platz mit spannenden Installationen oder Kollektiven bespielen“, so Kosel. Die Leute hätten Interesse daran, das würde auch die Veranstaltung „Klanglicht“zeigen, welche die Theaterholding vor zwei Wochen organisiert hat.
Kosel gilt als Kämpfer für eine lebendigere Kultur- und Veranstaltungsszene in Graz. Ein Vor- haben, bei dem aber alle Grazer gefordert seien: „Wir müssen selbst anpacken, vor der Haustür, im eigenen Viertel.“Dann habe Graz Zukunft, sagt Kosel, denn: „Die Stadt ist sexy – wie kaum eine andere in Österreich.“
Wichtig sei aber die direkte Kommunikation, dass man sich austauscht: „Der Stadt fehlt das Miteinander“, sagt er. Das könne auch durch kleinere Initiativen gefördert werden, daher müsse man diese zulassen. Kosel drückt das so aus: „Wir müssen die Magie des Moments wieder genießen. Und kleine Momente zu großen Augenblicken machen.“