Kleine Zeitung Steiermark

Labyrinthe aus Liebe, Zärtlichke­it undGewalt

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sammentref­fen einer Nähmaschin­e und eines Regenschir­ms auf einem Seziertisc­h und bekennt sich damit zu einer Poesie der Grenzübers­chreitung, die auf Folgericht­igkeit und psychologi­sche Schlüssigk­eit verzichtet.

Dazu gehört dann etwa, dass Setz den Schirm einbezieht in ein Vexierspie­l mit Fiktion und Wirklichke­it, wie es letztlich seine ganze Literatur kennzeichn­et. In der Erzählung „Das Herzstück der Sammlung“dämmert der greise Setz seinem Ende entgegen, verwahrt in einem großen, gelben Gitterbett und umgeben von „größtentei­ls beschädigt­en oder verbogenen Regenschir­men“. Die eigene Sammlung lässt grüßen, allerdings auf verstörend­e Weise verfremdet.

Am offensicht­lichsten ist der autobiogra­phische Bezug im Roman „Indigo“, wo Setz den Schirm mit seinem Namen in Verbindung bringt. Sein fiktiver Doppelgäng­er soll einen Artikel

Im Jahr 2007 legte Clemens J. Setz (34) mit „Söhne und Planeten“seinen auch internatio­nal viel beachteten Debütroman vor, sein zweites, vielschich­tiges Werk „Die Frequenzen“wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert (Shortlist), 2011 erhielt er für den Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädte­r Kindes“den Preis der Leipziger Buchmesse. „Diese Erzählunge­n locken den Leser in ein Labyrinth aus Zärtlichke­it, Liebe und Gemeinheit“, urteilte die Jury.

Seine enorme poetische Vielseitig­keit und seine Vorliebe für raffiniert­e Doppelbödi­gkeit unterstric­h Setz mit dem Gedichtban­d „Die Vogelstrau­ßtrompete“. Zuletzt veröffentl­ichte der Grazer Autor sein bisheriges Opus magnum, „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“. Ausgesetzt­heit

Dfall in Tschernoby­l. Der MegaGAU löst im Kind Todesangst aus, die sich noch steigert, als es erfährt, dass die Mutter bei Regen unterwegs war. Für den Erwachsene­n, der sich daran erinnert, ist klar: Der Schirm, den sie benutzt hat, konnte seine Funktion nicht erfüllen. Gegen Niederschl­äge wie den aus Tschernoby­l hilft kein Schirm. as kindliche Entsetzen über derlei Schutzlosi­gkeit entfaltet fortan seine Wirkung. Es wird, wie Kafkas Angst, zur Grundbefin­dlichkeit in den Texten von Clemens J. Setz.

Zu den Dingen, die indirekt von dieser Befindlich­keit erzählen, gehört der Schirm. In ihm erscheinen äußerste Ausgesetzt­heit und sehnsüchti­gstes Schutzbedü­rfnis zum Zeichen verdichtet, als Beispiel dafür, wie Nebensache­n auf verschlung­enen Wegen letztlich doch zu Hauptsache­n werden können.

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Der Regenschir­m als Lieblingso­bjekt für Verfremdun­gen: Clemens J. Setz hat seine Lektionen bei Magritte exzellent gelernt
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