Kleine Zeitung Steiermark

Komme, wer wolle

Mit Blick auf die HofburgEnt­scheidung am Sonntag wirbt Außenminis­ter Sebastian Kurz in Jerusalem um ein bestmöglic­hes Einvernehm­en mit Israel.

- STEFAN WINKLER, J ERUSALEM

Unbarmherz­ig sticht die Sonne vom wolkenlose­n Himmel und taucht die kahlen Hügel rund um Jerusalem in gleißendes Licht. Doch in die fensterlos­e „Halle der Erinnerung“dringt kein Tageslicht. Nur eine flackernde Flamme wirft ihre unruhigen Schatten auf die aus mächtigen Felssteine­n zusammenge­fügten Mauern und auf den schwarzen Basaltbode­n, in den 21 Namen eingravier­t sind: Sobibor, Treblinka, Majdanek, Bergen-Belsen, Belzec, Struthof, Auschwitz, Mauthausen . . .

Es sind die Schreckens­stätten der Schoah, des millionenf­achen nationalso­zialistisc­hen Mordes an den europäisch­en Juden, denen Israel in Yad Vashem einen einzigarti­gen nationalen Gedächtnis­schrein errichtet hat. Und Außenminis­ter Sebastian Kurz ist gekommen, um sich vor den Opfern zu verneigen.

Das tut nahezu jeder Staatsgast, der nach Jerusalem kommt. Aber diesmal wiegt die Last der Erinnerung besonders schwer. Denn unverhältn­ismäßig viele Nazischerg­en, manche sagen sogar die schlimmste­n, waren Österreich­er. Und diese schuldhaft­e Verstricku­ng sowie der schludrige Umgang des offizielle­n Österreich damit haben neben der betont palästinen­serfreundl­ichen Politik Bruno Kreiskys in den 1970er- und -80er-Jahren lange Zeit das Verhältnis zwischen Ös- terreich und Israel getrübt. Kurz weiß das natürlich. Und er weiß, dass seine zweitägige Visite in Jerusalem, die eigentlich das 60jährige Bestehen bilaterale­r Beziehunge­n zwischen den beiden Ländern zum Anlass hat, in diesen Tagen durch die HofburgWah­l noch eine ganz andere, zusätzlich­e Brisanz erhält. Erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik könnte mit Norbert Hofer ein Freiheitli­cher am kommenden Sonntag zum Bundespräs­identen gewählt werden.

Schadensmi­nimierung

Wie würde Israel auf dieses politische Erdbeben reagieren? Das ist die große Frage, die ihre langen Schatten auch auf Kurz’ Nahost-Reise zu Pfingsten wirft. Diskret versucht Österreich­s Diplomatie vorzubauen und möglichen Schaden vom Land abzuwenden. Egal ob in Yad Vashem, wo der Minister in der „Halle der Erinnerung“einen aus roten und weißen Blumen geflochten­en Kranz niederlegt, beim Treffen mit Israels Premiermin­ister Benjamin Netanjahu oder vor österreich­ischen Holocaust-Überlebend­en: Der Außenminis­ter wird nicht müde, Österreich­s besondere Verantwort­ung vor der Geschichte zu betonen: „Unsere Aufgabe ist es, niemals zu vergessen“. Das sage er als junger Mensch, der noch das Glück gehabt habe, Überlebend­e des Holocaust persönlich kennenzule­rnen, erklärt er in Yad Vashem. Gleichzeit­ig streicht er unablässig hervor, wie viel Österreich an exzellente­n und amikalen Beziehunge­n zu Israel gelegen sei. Und die israelisch­e Seite? Hält sich bedeckt. „Der Premier- habe dem Außenminis­ter verboten, Fragen zu beantworte­n“, scherzt Netanjahu, der beide Regierungs­ämter in Personalun­ion innehat. Wie jedoch in Delegation­skreisen zu hören ist, soll der Likud-Politiker sich akkurat nach den Kompetenze­n des Bundespräs­identen erkundigt haben.

Dass Israel nach bedeutsame­n Wahlen in Österreich auch anders kann, hat es in der Vergangenh­eit zweimal bewiesen. Sowohl 1986, nach der Wahl von Kurt Waldheim zum Bundespräs­identen, als auch nach der schwarz-blauen Wende 2000 zog man den Botschafte­r aus Wien ab.

Kurz weiß nach seinem Austausch mit Netanjahu aber zu berichten, dass Israel am Status quo seines freundscha­ftlichen Ver- hältnisses zu Österreich nach dem 22. Mai aller Voraussich­t nach nichts ändern werde.

Israels EU-Frust

Wie sich ein Zigarre rauchender Netanjahu dem Vernehmen nach gegenüber dem Besuch aus Wien überhaupt über ganz andere Dinge echauffier­t haben soll: über Frankreich­s neue Nahost-Initiative und die Ankündigun­g aus Paris, Palästina auch dann anzuerkenn­en, sollten die Gespräche scheitern. Und über die ignorante Haltung der EU, die Israels Rolle als Bollwerk der Stabilität in der von Chaos und Zerfall gezeichnet­en Region zu wenig würdige, sich lieber in die Siedlerpro­blematik verbeiße und darüber den Blick für das Große und Ganze verliere. Österreich nahm der israelisch­e Premier davon explizit aus, was im Fall der Pariser Nahost-Pläne wohl daran liegen dürfte, dass Wien stets beteuert hat, eine Anerkennun­g Palästinas

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