Schirm, Charme und der Krone
PFINGSTFESTSPIELE
Salzburg, fast wie immer: Scharen von Japanern wuseln mit Deppenzeptern vulgo Selfie-Sticks vor Mozarts Geburtshaus herum. Inder winken aus Fiakern oder pflügen in Saris und Sandalen durch die Getreidegasse. Bei zarten 6 Grad halt, im Schütt- statt Schnürlregen.
Der trübte nicht nur das Loretto-Fest der katholischen Jugend ein wenig, sondern natürlich auch die Stimmung der Pfingstfestspiele. Schirm und Charme, das passt ja eigentlich nur mit Melone zusammen, aber schwer zu Frack und Seidenrobe. Und hinzu kam noch, dass für Publikum wie Presse nach der Premiere der „West Side Story“nicht durchgängig alles eitel Sonne war. Denn dass Cecilia Bartoli in der Musical-Inszenierung von Philip William McKinley als gealterte Maria in Rückschauen auf ihre tragische Liebe zu Tony die „echte Maria“sozusagen doppelte, gefiel manchen ebenso wenig wie die zu opernhafte Interpretation ihrer Rolle (wir berichteten).
Die 49-Jährige, seit 2012 und bis 2021 als Festival-Intendantin im Amt, zog gestern dennoch zufrieden Resümee: „Etliche Stimmen wollten vorab schon wissen, dass unser Publikum einen Programmpunkt Musical nicht goutieren werde. Das Risiko, Leonard Bernsteins Klassiker trotzdem erstmals bei den Festspielen zu zeigen, wurde aber allein schon mit dem Ansturm auf die im Nu ausverkaufte Vorstellungsserie belohnt. Und die Standing Ovations setzen der riskanten Idee vollends die Krone auf.“
Roter Faden
Im 400. Todesjahr von Shakespeare hatte die römische Mezzosopranistin „Romeo und Julia“als roten Faden gesponnen. Zwölf Veranstaltungen zum Thema mit Musical, Oper, Ballett, einer Lesung, drei Kinofilmen und einem Galadinner lockten 11.400 Besu- cher aus 42 Nationen an und erbrachten 94 Prozent Gesamtauslastung.
Auch heuer wieder hatte Bartoli ihr Faible für Raritäten demonstriert. Diesmal mit „Giulietta e Romeo“von Nicola Antonio Zingarelli – der Dreiakter des neapolitanischen Zeitgenossen von Mozart wurde konzertant gegeben. Soll noch einer sagen, Griechenland hätte keine bedeutenden Exportartikel! George Petrou und seine „Armonia Atenea“reüssieren international und lieferten schon einige Referenzaufnahmen, zuletzt Händels „Arminio“mit dem Wiener Countertenor Max Emanuel Cencic, der zu Pfingsten 2017 eine Arienmatinee in Salzburg geben wird.
In Zingarellis hübscher, farbenreicher Klanglandschaft blieb das Ensemble aus Athen das Qualitätssiegel 1 a zwar schuldig, aber allein schon Franco Fagioli war die Opern-Entdeckung wert. Während die Schwedin Ann Hallenberg mit etwas scharfkanti- gem Sopran eher Julias Mutter hätte singen können, breitete der 35-jährige Argentinier als Romeo seinen facettenreichen PrachtCounter frisch und viril aus.
Große Pläne
Cecilia Bartoli wird übrigens bis zu den nächsten Pfingstfestspielen voll „Wonne der Wehmut“(siehe Kasten) nicht wirklich fad. Beispiele? Schon am Freitag stellt Frau Tausendsassa in Bad Kissingen ihr neues Arienprojekt „Melodie italiane“vor. Am 8. Juli debütiert sie im Palast von Prinz Albert II. mit „Les Musiciens du Prince“. Und mit dem von ihr gegründeten Originalklangorchester mit Sitz in Monte Carlo will sie am 1. Dezember auch im Grazer Musikverein in einer HändelGala zeigen, was sie von Nikolaus Harnoncourt gelernt hat, von dem sie erst kürzlich in der „Zeit“wieder schwärmte: „Ohne diesen großen, nun leider verstorbenen Dirigenten würden wir in der Musik nicht so denken, wie wir denken.“