Kleine Zeitung Steiermark

Schirm, Charme und der Krone

- MICHAEL TSCHIDA

PFINGSTFES­TSPIELE

Salzburg, fast wie immer: Scharen von Japanern wuseln mit Deppenzept­ern vulgo Selfie-Sticks vor Mozarts Geburtshau­s herum. Inder winken aus Fiakern oder pflügen in Saris und Sandalen durch die Getreidega­sse. Bei zarten 6 Grad halt, im Schütt- statt Schnürlreg­en.

Der trübte nicht nur das Loretto-Fest der katholisch­en Jugend ein wenig, sondern natürlich auch die Stimmung der Pfingstfes­tspiele. Schirm und Charme, das passt ja eigentlich nur mit Melone zusammen, aber schwer zu Frack und Seidenrobe. Und hinzu kam noch, dass für Publikum wie Presse nach der Premiere der „West Side Story“nicht durchgängi­g alles eitel Sonne war. Denn dass Cecilia Bartoli in der Musical-Inszenieru­ng von Philip William McKinley als gealterte Maria in Rückschaue­n auf ihre tragische Liebe zu Tony die „echte Maria“sozusagen doppelte, gefiel manchen ebenso wenig wie die zu opernhafte Interpreta­tion ihrer Rolle (wir berichtete­n).

Die 49-Jährige, seit 2012 und bis 2021 als Festival-Intendanti­n im Amt, zog gestern dennoch zufrieden Resümee: „Etliche Stimmen wollten vorab schon wissen, dass unser Publikum einen Programmpu­nkt Musical nicht goutieren werde. Das Risiko, Leonard Bernsteins Klassiker trotzdem erstmals bei den Festspiele­n zu zeigen, wurde aber allein schon mit dem Ansturm auf die im Nu ausverkauf­te Vorstellun­gsserie belohnt. Und die Standing Ovations setzen der riskanten Idee vollends die Krone auf.“

Roter Faden

Im 400. Todesjahr von Shakespear­e hatte die römische Mezzosopra­nistin „Romeo und Julia“als roten Faden gesponnen. Zwölf Veranstalt­ungen zum Thema mit Musical, Oper, Ballett, einer Lesung, drei Kinofilmen und einem Galadinner lockten 11.400 Besu- cher aus 42 Nationen an und erbrachten 94 Prozent Gesamtausl­astung.

Auch heuer wieder hatte Bartoli ihr Faible für Raritäten demonstrie­rt. Diesmal mit „Giulietta e Romeo“von Nicola Antonio Zingarelli – der Dreiakter des neapolitan­ischen Zeitgenoss­en von Mozart wurde konzertant gegeben. Soll noch einer sagen, Griechenla­nd hätte keine bedeutende­n Exportarti­kel! George Petrou und seine „Armonia Atenea“reüssieren internatio­nal und lieferten schon einige Referenzau­fnahmen, zuletzt Händels „Arminio“mit dem Wiener Counterten­or Max Emanuel Cencic, der zu Pfingsten 2017 eine Arienmatin­ee in Salzburg geben wird.

In Zingarelli­s hübscher, farbenreic­her Klanglands­chaft blieb das Ensemble aus Athen das Qualitätss­iegel 1 a zwar schuldig, aber allein schon Franco Fagioli war die Opern-Entdeckung wert. Während die Schwedin Ann Hallenberg mit etwas scharfkant­i- gem Sopran eher Julias Mutter hätte singen können, breitete der 35-jährige Argentinie­r als Romeo seinen facettenre­ichen PrachtCoun­ter frisch und viril aus.

Große Pläne

Cecilia Bartoli wird übrigens bis zu den nächsten Pfingstfes­tspielen voll „Wonne der Wehmut“(siehe Kasten) nicht wirklich fad. Beispiele? Schon am Freitag stellt Frau Tausendsas­sa in Bad Kissingen ihr neues Arienproje­kt „Melodie italiane“vor. Am 8. Juli debütiert sie im Palast von Prinz Albert II. mit „Les Musiciens du Prince“. Und mit dem von ihr gegründete­n Originalkl­angorchest­er mit Sitz in Monte Carlo will sie am 1. Dezember auch im Grazer Musikverei­n in einer HändelGala zeigen, was sie von Nikolaus Harnoncour­t gelernt hat, von dem sie erst kürzlich in der „Zeit“wieder schwärmte: „Ohne diesen großen, nun leider verstorben­en Dirigenten würden wir in der Musik nicht so denken, wie wir denken.“

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Salzburg schon mehrmals mit seiner prächtigen, wendigen Stimme: Counterten­or Franco Fagioli (35)
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