Kleine Zeitung Steiermark

19 Cent in Deutschlan­d: Milchkrise spitzt sich zu

Erstmals sinkt der Milchpreis für deutsche Bauern unter 20-Cent-Marke. Hierzuland­e liegen die Nerven blank, zumal Trend meist nach Österreich überschwap­pt.

- ULRICH DUNST

MITTWOCH,

D18. MAI 2016, SEITE 36 er europäisch­e Milchsee füllt sich nach dem Quotenende 2015 weiter – und die daraus resultiere­nde Milchkrise spitzt sich weiter zu. Dieser europaweit fast einhellige Befund wird durch die aktuellste Entwicklun­g in Deutschlan­d noch einmal bestätigt. Erstmals überhaupt fällt im Norden des Nachbarlan­des der Preis, den Bauern für ein Kilo (Milch wird in Kilo abgerechne­t) Milch erhalten, unter die 20-CentMarke. Der dortige Diskonter Aldi fuhr mit dem Einstiegsp­reis im Supermarkt­regal auf noch nie dagewesene 46 Cent je Liter hinunter.

2 Liter Milch für 1 Liter Wasser

Damit kostet ein Liter Milch im Handel oftmals nur noch die Hälfte von einem Liter abgefüllte­m Wasser. Oder anders ausgedrück­t: Ein Bauer muss 20 Liter Milch verkaufen, um sich im Gasthaus ein Krügerl Bier kaufen zu können.

Die rasante Talfahrt bei den Nachbarn wird von heimischen Milchbauer­n und Molkereien mit allergrößt­er Sorge beobachtet, zumal auch in Österreich die Preise für konvention­elle, genfreie Milch von 40 Cent 2014 auf nunmehr rund 27 bis 28 Cent gesunken sind. Tendenz weiter fallend. „Was in Deutschlan­d passiert, kommt zeitverzög­ert meist auch zu uns“, sagt Milchmarkt-Analyst Michael Wöckinger. Das einzige Plus, das es in Österreich gebe, sei, dass heimische Molkereien im Vorfeld des Quotenende­s Millionen investiert hätten „und bei uns mehr in höherwerti­ge Produkte weitervera­rbeitet wird“, so Wöckinger. Dadurch würden Tiefstprei­se leicht abgefedert. „Dennoch: auch in Österreich wurde im ersten Quartal um 6,6 Prozent mehr Milch abgeliefer­t als im Vorjahr.“

Folge: „Die Gefahr, dass der Preisdruck auch auf Österreich noch stärker überschwap­pt, ist hoch“, sagt der heimische Molkereien-Obmann Helmut Petschar. Schon jetzt gebe es in den Regalen großzügige Rabatte auf Milchprodu­kte. „Dafür habe ich überhaupt kein Verständni­s“, poltert Petschar. „Denn der Konsument ist bereit, für höhere Qualität, die bei uns produziert wird, auch mehr zu zahlen.“Erhebungen würden laut Petschar zeigen, dass der Milch-, Butter- und Käseverbra­uch der Österreich­er unabhängig vom Preis über die Jahre gleich blieb.

Billigmilc­h für Eigenmarke­n

Massive Kritik an Praktiken des Handels übte man zuletzt bei der Landwirtsc­haftskamme­r, als erste Ketten begannen, bei Milchprodu­kten ihrer Billig-Eigenmarke­n heimische durch günstigere ausländisc­he Milch zu ersetzen. Indes plädiert der steirische Kammerpräs­ident Franz Titschenba­cher, den von den Preistiefs besonders betroffene­n Milchbauer­n ebenso wie Schweineba­uern und vom Frost betroffene­n Obstbauern im zweiten Quartal einen Teil der Sozialsver­sicherungs­beiträge zu erlassen.

Während auf EU-Ebene und zwischen Molkereien heftig über freiwillig­e Lieferverz­ichte debat- tiert wird (siehe unten), gibt es auch Lichtblick­e. Die Milchimpor­te Chinas sind zuletzt stark angestiege­n. Und der Höhepunkt der Milchanlie­ferung im Jahreslauf ist traditione­ll im Mai überschrit­ten.

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