„Wir sollten das Amt reformieren“
Alexander Van der Bellen über eine missglückte TV-Debatte, das Amt, das er anstrebt, die Liebe zum Kaunertal und ein Angebot an Menschen, die ihn nicht wählen.
Das war ein zwiespältiges Kompliment, das Ihnen Irmgard Griss gemacht hat. Die Polarisierung sei so weit gediehen, dass sie sich deklarieren müsse. Was ist Ihr Anteil daran? ALEXANDER VAN DER BELLEN: Die ATV-Diskussion ist gründlich entgleist, das ist keine Frage. Wenn man zwei Gladiatoren ohne Schiedsrichter in die Arena schickt, ist das Ergebnis zu erwarten. Und wenn es einer nicht gemacht hätte, hätte es geheißen, er drückt sich. Es gibt Situationen, denen man schwer entkommt, aber es ist sicher keine Sternstunde der politischen Diskussion gewesen.
Sind Zweikämpfe gut für ein Amt, das eigentlich verbinden soll? VAN DER BELLEN: Es verläuft ja nicht jedes Gespräch so wie am Sonntagabend. Vorgestern haben wir uns gleich zwei Mal getroffen und auch in Graz ist es ganz anders verlaufen.
Würden Sie im Rückblick den Wahlkampf anders anlegen? VAN DER BELLEN: Das ist jetzt müßig.
Es hat noch nie einen so polarisierten Zweikampf gegeben. VAN DER BELLEN: Es hat auch noch nie so viel Interesse gegeben, nicht nur medial, sondern quer durch die Bevölkerung. Überle- gen wir uns kommende Woche, was wir empfehlen könnten für künftige Wahlkämpfe.
Viel wurde diskutiert über die Kompetenzen des Amtes. Sollte man es reformieren? VAN DER BELLEN: Ich würde sagen, ja. Nach diesem Wahlsonntag sollten sich die besten Verfassungsjuristen der Republik, politische Menschen und auch andere zusammensetzen zu einer Art Konvent, um über die Verfassung von 1929 nachzudenken.
Was würden Sie ändern? VAN DER BELLEN: Die Verfassung sieht einerseits eine gut gefügte Machtbalance vor. Die Hauptmacht liegt beim Parlament und das soll auch so sein. Aber der Bundespräsident hat, wenn er will, die Möglichkeit, das auszuhebeln. Ich bezweifle, dass das der Weisheit letzter Schluss ist im 21. Jahrhundert.
Es übersteigt die vernünftige Kontrollbefugnis des Präsidenten? VAN DER BELLEN: In 70 Jahren wurden diese verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechte nie ausgeübt. Aber sie könnten ausgeübt werden und man sollte überlegen, ob das noch angemessen ist.
Sie schildern Ihr Leben als eine Geschichte von Wandlungen. Ihr Kontrahent wirft Ihnen das vor. VAN DER BELLEN: Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich durchaus gewillt bin, meine Meinung zu ändern, wenn ich Argumente höre, die besser sind als die, die ich bisher beachtet habe. Das hat sicher damit zu tun, dass ich 30 Jahre an Universitäten war. Dort ist das der Alltag.
Dass Thesen überprüft werden? VAN DER BELLEN: 2000 Jahre lang hat man an den Kosmos geglaubt, den die Griechen entworfen haben. Dann hat sich herausgestellt, die Erde ist doch nicht der Mittelpunkt. Das ist eben so. Wer daraus ein Flipflop konstruieren will, hat nicht ganz verstanden, worum es bei der Annäherung an Wahrheit geht.
Kann man im Wahlkampf noch differenzieren? Bei TTIP, dem Freihandelsabkommen mit den USA etwa?