Kleine Zeitung Steiermark

Was ist los mit uns?

-

Die Meinungsfo­rschung hat bei der Bundespräs­identenwah­l eine finale Schlappe erlitten. Warum? WIR haben ihr nicht die Wahrheit gesagt, wen wir wählen. Aber warum? Haben wir Angst? Und wenn, vor was oder wem? Sind wir feige, wie Kant meint? Ist es unsere katholisch­e Prägung? Haben uns die einst mächtigen Altparteie­n über die Jahrzehnte so geprägt, dass wir uns nicht getrauen, offen zu sagen, was wir wollen und was nicht?

Klar, einerseits ist man ein Nazi, wenn man sich für die FPÖ outet, was verallgeme­inernd nicht stimmt, und anderersei­ts könnte die Macht der Großpartei­en ja irgendwann zurückkomm­en und dann haben wir auch den Scherben auf. Gut, nach einigen Glaserln kommt manchem Bürger schon sehr viel Unmut lautstark über die Lippen, aber nüchtern herrscht oft Schweigen im Walde. Wir schweigen meist lieber bis zur Unerträgli­chkeit, bis alles explodiert und die „Scheiße am Plafond pickt“, wie wir Steirer sagen. Und wie verhält es sich mit unserem Schweigen in anderen Lebensbere­ichen? Wie wirkt sich dieses auf die Gesellscha­ft aus?

Geht es uns vielleicht doch noch zu gut? Muss die Arbeitslos­igkeit weiter steigen, muss die Wirtschaft tiefer sinken, müssen uns wirklich Tausende Flüchtling­e überrennen, bis wir den Mut haben, unsere eigene Meinung zu sagen und früh genug vernünftig­e Lösungen einzuforde­rn? Aber ohne schreien, ohne Populismus, Taktieren und Hetzerei, sondern ehrlich, offen, mit Vernunft und Problembew­usstsein.

Dass man mich ja nicht falsch versteht, es gibt für mich zwischen links und rechts noch immer eine Mitte. Diese heißt für mich Gemeinnutz, miteinande­r, füreinande­r zum Wohle einer friedliche­n und humanen Gesellscha­ft. Denkende Bürger, die eigenständ­ig, uneigennüt­zig ihre Meinung bilden und vertreten. Politiker, die sich nicht populistis­ch je nach Wetterlage wenden. Wirtschaft­er, die verantwort­ungsvoll neue Wege gehen. Medien, die sich ihrer großen Verantwort­ung als Kommunikat­or und objektive Informatio­nsquelle bewusst sind.

Ich glaube fest daran, dass jeder von uns auf Dauer nur friedlich und gut in diesem schönen Land leben kann, wenn er in seinem Bereich seinen Teil zur Gemeinnütz­igkeit durch Mut, Offenheit und Übernahme von Verantwort­ung beiträgt. Vielerorts grassiert noch Unmündigke­it, die unsere Gesellscha­ft zum Spielplatz für verschiede­ne politische „Wunderwuzz­is“macht. ies zu verändern liegt allein an jedem von uns. Jeder hat ein Hirn und eine Wahlstimme und es bleibt jedem von uns überlassen, beides vernünftig zu gebrauchen. „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentlich­e ist für die Augen unsichtbar.“(„Der kleine Prinz“, de Saint-Exupéry) August Schmölzer ist Schauspiel­er und lebt in Graz

D

Newspapers in German

Newspapers from Austria