Kleine Zeitung Steiermark

Aus dem Ghetto mit deutschen Tugenden

Ein AfD-Vergleich zu Jérôme Boateng ist nach hinten losgegange­n. Weil er für viele Deutsche ein Vorbild ist – nicht nur für Integratio­n.

- I NGO HASEWEND

Sie kicken im Käfig. Die Burschen auf dem „Bolzplatz Panke“hämmern den Fußball gegen den Zaun, dass es kracht. Ein derber Berliner Dialekt mit Einsprengs­eln von Ghettospra­che ist schon von Weitem zu hören. Hier ist Fußball Hoffnung. Und ein Verspreche­n. Ein Verspreche­n auf eine bessere Zukunft, die hinausführ­t aus dem Brennpunkt­bezirk Wedding mit seinem betonboden­en Straßenkic­kerplatz, bei dem sich die vielen Kinder mit Migrations­hintergrun­d und die blond-blau- äugige Unterschic­ht gleicherma­ßen blutige Knie holen.

Natürlich tragen die Kids Trikots mit den Namen Messi, Ronaldo oder Müller wie überall. Doch wenn man sie fragt, wer ihr Vorbild ist, dann antworten alle nur Boateng. Kevin-Prince, Jérôme, George, egal. Hauptsache, so wie die drei Halbbrüder aus Wedding, die es geschafft haben, rauszukomm­en, bis in den internatio­nalen Spitzenfuß­ball. Hier kann jeder seine Geschichte über die Brüder erzählen. Ihr ghanaische­r Vater Prince Boateng ist das verbindend­e Element, nur die deutschen Mütter trennen sie.

Und schon fängt es an, schwierig zu werden mit dem Begriff „gelungene Integratio­n“. Der älteste, George, ist Rapper, saß im Knast und spielt heute in der Amateurlig­a Freizeitfu­ßball. Kevin-Prince, der Mittlere, bezaubert beim AC Mailand. Sein Glück kam über Umwege, weil er der Typ ein- fach gestrickte­r Sportler ist, den man vielleicht meint, wenn man sagt: Den möchte ich nicht als Nachbarn haben. Nicht weil er dunkelhäut­ig ist, sondern weil er seinen Aufstieg aus dem Ghetto zeitweise offensicht­lich schwer verdaut hat. 2009 randaliert­e der Fußballmil­lionär beim Heimatbesu­ch mit einem ehemaligen Teamkolleg­en während einer nächtliche­n Sauftour und beschädigt­e 13 Autos. Er musste regelmäßig den Verein wechseln, bedrohte einen Extrainer nach einem Interview und trat dem deutschen Nationalka­pitän Michael Ballack in einem englischen Ligaspiel mit Absicht gegen das Sprunggele­nk. Seither trägt der Nationalsp­ieler für Ghana den Titel Skandalkic­ker.

Jérôme ist da so etwas wie der Gegenentwu­rf. Er wuchs – anders als seine Halbbrüder – im vornehmere­n Bezirk Charlotten­burg auf. Wenn er nach einem Spiel des deutschen Natio-

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