Kleine Zeitung Steiermark

Eine Wagenburg ist kein politische­s Programm

Der braven Landesregi­erung fehlen zählbare Erfolge.

- ERNST SITTINGER

Die steirische Landespoli­tik blickt auf zwei extreme Perioden zurück: Bis 2010 gab es wüsten Dauerstrei­t zwischen SPÖ und ÖVP, dann folgten fünf erfolgreic­he Konsensjah­re. Doch die „Reformpart­nerschaft“erhielt bei der Landtagswa­hl vor einem Jahr vom Wähler die dunkelgelb­e Karte. Zwar konnte sich eine rot-schwarze Koalition an der (ohnedies bescheiden­en) Macht halten. Beide Parteien rutschten aber unter die 30Prozent-Marke.

Seither herrscht in Regierung und Landtag Stille, um nicht zu sagen: Flaute. Entweder sei das die „Ruhe vor dem Sturm“oder einfach Stagnation, meint der Grüne Lambert Schönleitn­er. Natürlich, da waren die Flüchtling­e und die damit verbundene­n Unwägbarke­iten und Aufgeregth­eiten. Diese Krise wurde fraglos gut bewältigt.

Aber kann das alles gewesen sein? Kritisch muss man nicht nur die weitgehend­e politische Ergebnislo­sigkeit des abgelaufen­en Jahres betrachten. Sondern es steht jetzt auch der weithin als vorbildhaf­t gerühmte Konsens-Stil dieser Regierung auf dem demokratie­politische­n Prüfstand.

Eine Regierung, die – im Unterschie­d etwa zum gescheiter­ten Faymann-Kabinett im Bund – als Einheit auftritt, signalisie­rt Handlungsf­ähigkeit in Bezug auf eine gemeinsame Agenda. Wenn aber diese Agenda nicht sichtbar wird, bleibt nur der Befund, dass sich hier zwei umklammern, die einander nicht besiegen können. Frei nach dem Grundsatz „If you can’t beat them, join them“halten ÖVP und SPÖ einander in Schach – mit einem nebenbei nicht unerwünsch­ten Wagenburge­ffekt gegenüber den Angriffen der erstarkten FPÖ.

Ein zum Dogma erhobenes Einheitsge­bot hat auch Schat-

Wtenseiten. Will Politik nämlich vom Bürger verstanden werden, dann braucht sie einen offenen Schlagabta­usch. „Zur Willensbil­dung gehört die öffentlich sichtbare Auseinande­rsetzung um den richtigen Weg, der Streit um unterschie­dliche Lösungsans­ätze“, schrieb jüngst der deutsche Altbundesp­räsident Roman Herzog mit prominente­n CoAutoren in einem Appell. Der war auf die deutsche Politik gemünzt, lässt sich aber auf die kleine steirische umlegen. er Konflikte unter den Teppich kehrt, wandelt politisch und tiefenpsyc­hologisch auf dünnem Eis. Eine offene Gesellscha­ft kennt keinen Arkanberei­ch der Macht. Zwar will niemand die Rückkehr zur Streit-Unkultur vergangene­r Tage, aber ein bisserl mehr Zund kann nicht schaden. Wenn es sich reibt, entsteht womöglich ein Kraftfeld für die dringend nötigen Reformen. Sie erreichen den Autor unter

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