Kleine Zeitung Steiermark

Die Umklammeru­ng der Abgestraft­en

Bei der Landtagswa­hl vor einem Jahr wurden SPÖ und ÖVP abgestraft. Seither suchen sie ihre Rolle – zwischen Reformstau und Konsenspfl­icht.

- ERNST SITTINGER

Am 31. Mai 2015 fuhr der damalige Vizelandes­hauptmann Hermann Schützenhö­fer vom Narzissenf­est im Ausseerlan­d zurück nach Graz. Er war in Hochstimmu­ng: Die ersten Ergebnisse der Landtagswa­hl ließen für die ÖVP den Vorstoß auf Platz eins erwarten. Doch je weiter in den Süden Schützenhö­fer kam, desto größer wurde die Ernüchteru­ng. Am Ende fehlten den Schwarzen knapp 5500 Stimmen.

Bekanntlic­h wurde Schützenhö­fer dann doch Landeshaup­tmann, Franz Voves trat zurück. Auf die Ära der „Reformpart­nerschaft“folgte die „Zukunftsko­ali- VERKEHR tion“, die vom neuen SP-Chef Michael Schickhofe­r und von VPLandesra­t Christophe­r Drexler konzipiert worden war. Doch SPÖ und ÖVP taten sich schwer: Die Regierung Voves/Schützenhö­fer hatte mutige Reformen durchgeset­zt, war bei der Wahl dann aber kräftig bestraft worden. Sollte man den Reformkurs trotzdem fortsetzen? Man entschied sich für die Beibehaltu­ng von Konsens und Reformpfad. Doch die „Luft“war erkennbar draußen.

Auf SPÖ-Seite suchten Schickhofe­r und die neuen Regierungs­mitglieder Doris Kampus, Ursula Lackner und Jörg Leichtfrie­d ihre eigenen Schwerpunk­te. Auf ÖVP-Seite sorgte der nicht vollzogene Generation­swechsel – mit Schützenhö­fer, Drexler, Christian Buchmann und Hans Seitinger blieb die bekannte Männerrieg­e am Ruder – für internen Reibungsve­rlust.

Dazu kam die Flüchtling­skrise als beherrsche­ndes Thema des ersten Regierungs­jahres. Zeitweise forderte diese Krise tatsächlic­h so gut wie alle Kräfte in der Administra­tion. Schützenhö­fer erzählt noch heute vom 21. Oktober, als 3500 Flüchtling­e ungeordnet die Grenze bei Spielfeld überrannte­n – für den Homo politicus auch psychologi­sch ein Schock.

Der Landeshaup­tmann brauchte lange – für manche auch zu lange –, um zur Tagesordnu­ng zurückzuke­hren. Die FPÖ, bei der Wahl zur dritten starken Partei auf Augenhöhe mit Rot und Schwarz aufgestieg­en, nützte die Konfusion für eine Landtagsso­ndersitzun­g, die ergebnislo­s endete. Eine schon vorbereite­te FünfPartei­en-Erklärung scheiterte an begrifflic­hen Details, obwohl Schützenhö­fer mit einem dramatisch­en Appell („Leute, das ist ein Staatsnots­tand!“) auf Einigung drängte.

In Sachen Integratio­n, Unterbring­ung, Betreuung der Flüchtling­e ist in diesem Jahr viel gelungen – wahrschein­lich die beste Leistung dieser Regierung. Schützenhö­fer machte Kurt Kalcher zum Flüchtling­skoordinat­or. Das Baugesetz wurde novelliert, um die Quartiersu­che zu be- REGIONEN UND TOURISMUS schleunige­n. Ein runder Tisch aller fünf Parteien tagt unregelmäß­ig bei Sozialland­esrätin Kampus. Diese Bemühungen werden auch von Grünen-Klubchef Lambert Schönleitn­er und KPÖ-Klubobfrau Claudia KlimtWeith­aler gelobt. Allerdings ist die lange angekündig­te Reform BUDGET

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria