Zauber des Altstarts
Schon bei der ersten Personalie, der Kür des Rechnungshofpräsidenten, musste Kanzler Christian Kern gestern ein Scheitern der Regierung eingestehen. Eine neue politische Kultur hatte der Quereinsteiger bei seiner Antrittsrede wortmächtig beschworen. Stattdessen geriet die erste Postenbesetzung zu einem parteipolitischen Schmierentheater. Die Macht schlechter Gewohnheit führte Regie. Als Bühnenbild wurde die Scheinkulisse einer Anhörung errichtet. Von vornherein stand fest, dass das Gehörte unerheblich sein würde. Die Kandidaten waren Puppenspieler an den Fäden der ihnen zugeordneten Partei, einschließlich der blauen. Das Stück spielte nicht auf, sondern hinter der Bühne. Das Drohszenario einer schwarz-blauen Abstimmungsallianz zwang die SPÖ am Ende in die Knie. Sie unterwarf sich der List des ÖVP-Klubchefs. Der durfte sich nach dem Pyrrhussieg von seinen Kadetten feiern lassen, während draußen das Publikum das Weite suchte, angeödet vom Old Deal und faulen Zauber des Altstarts.
So wird das nichts. Kern hat zu Beginn das steirische Reformbündnis als Richtschnur gepriesen. Wollte er wirklich daran Maß nehmen, hätten er und der Vizekanzler eine Vorleistung zu erbringen. Sie müssten ihre Feldherren Reinhold Lopatka und Andreas Schieder entweder genetisch umprogrammieren oder ersetzen. Die beiden sind Deformierte ihrer verinnerlichten Rollen. Sie sind, obschon vergleichsweise jung, Altpolitiker.
In der Steiermark glückte die Häutung. Die beiden Klubchefs waren nach außen lautlos und nach innen der wichtigste Transmissionsriemen, um die Funktionäre auf die Notwendigkeiten einzuschwören. Sie besuchten den jeweils anderen Klub und standen Rede und Antwort. Mit den beiden Einsern bildeten sie eine Viererkette, in der eisern um die Pflö-
Ncke gerungen wurde, die dann mit einem Rütlischwur eingeschlagen wurden. Keine Silbe drang vorzeitig nach außen. Niemand aus dem Regierungsteam unternahm ideologische Ausritte, nur um billiges Deo in die Partei zu sprühen, wissend, dass der Partner zum Atemschutzgerät eilen würde. Stögers Retronummer mit der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wäre analog undenkbar gewesen. Die Maßnahmen gehorchten einer Symmetrielogik: Die Zumutungen gegenüber der jeweils eigenen Klientel wurden so tariert, dass die Einschnitte eine Balance der Schmerzen bildeten. icht alles war heldenhaft. Manches blieb Fragment. Aber es war jene neue Kultur zu spüren, die im Bund bisher nur als rhetorisches Versatzstück einer Predigt existiert und als gebrochenes Versprechen. Sie erreichen den Autor unter