ZUR PERSON
Dim Leben zu Hause fühlt. Zwar wird es vom Hochwasser, das die Gegend heimsucht, weitgehend verschont, aber die stete Zuwendung, die es erfordert, bestärkt Helbich in der Gewissheit, „dass ein jedes Wesen, ein jedes Ding der ständigen Verwüstung und dem sicheren Untergang ausgeliefert ist. Zwecklos, sich mit seiner schwachen Kraft dagegenzustemmen.“iese Schwäche erreicht ihren Tiefpunkt angesichts der katastrophalen Erfahrung des Krieges. In den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 wird Helbichs Elternhaus von Bomben zerstört, sie selbst Opfer einer Vergewaltigung. Da sind nicht bloß materielle Verluste zu verzeichnen, da ereignet sich auch das Unglück eines grundlegenden Vertrauensverlustes, der im skeptischen Weltbild der Autorin seinen Niederschlag findet. Dieses Weltbild relativiert letztlich auch den Wert der Dinge: Er lässt sich nicht absolut setzen, sondern bleibt anfechtbar bis hin zur völligen Entwertung. Schockhaft wird Helbich einer derartigen Entwertung gewahr, als sie die ersten Fotos aus deutschen Konzentrationslagern sieht: „Die Abfallhaufen von Dingen, die einmal persönlichster Besitz waren. Von Zahnprothesen.“
Gemessen an der Totalität dieser Auslöschung, sind die Zerstörungen und Versehrungen in Helbichs Biographie heilbar. Aus den Trümmern wird geborgen, was von Nutzen sein könnte: „ein einzelner Schuh da, eine Schachtel mit Schichtseife dort“. Die Dinge sind kostbarer denn je, aber sie sind es jetzt im Bewusstsein ihrer prekären Existenz. Aus einem Gerhard Melzer, geboren 1950 in Graz, ist einer der profundesten Kenner der Gegenwartsliteratur. Exklusiv für die Kleine Zeitung befasst er sich mit speziellen Eigenheiten von Autorinnen und Autoren.