Kleine Zeitung Steiermark

Vor dem Gesetz sind alle gleich – auch Grasser

Dreistigke­it bei der Buwog-Privatisie­rung überrascht.

- MICHAEL JUNGWIRTH

Wie das Leben so spielt. Wäre im September 2008 Lehman in New York nicht pleitegega­ngen, Karl-Heinz Grasser wäre heute vielleicht ein renommiert­er Unternehme­r, ein kleiner Banker, Aufsichtsr­atschef eines internatio­nalen Kristallko­nzerns, oder er stünde wie Irmgard Griss an der Spitze einer politische­n Bewegung, die die etablierte­n Parteien das Fürchten lehrt. Vielleicht wäre er EU-Kommissar in Brüssel.

Es kam anders. Im Zuge der Lehman-Pleite geriet die Constantia Privatbank ins Strudeln und sodann ins Visier der Justiz. Beiläufig stießen die Ermittler bei der Sichtung der Aktenordne­r auf dubiose Geldflüsse im Zusammenha­ng mit der Buwog-Privatisie­rung. Von einem „Zufallsfun­d“ist die Rede. Was die Experten stutzig machte: Nutznießer der Zahlungen waren allesamt Spezis des langjährig­en Finanzmini­sters, der die Privatisie­rung betrieben hat. Und so nahmen die Ermittlung­en ihren Lauf, und nach sieben langen Jahren wird nun Anklage erhoben gegen Grasser und andere Personen.

Niemandem ist zumutbar, sieben quälende Jahre warten zu müssen, ehe überhaupt klar wird, ob er auf der Anklageban­k Platz nehmen muss oder nicht. Das gilt auch für Grasser, vor dem Gesetz sind alle gleich. Bis die Ermittlung­en Fahrt nahmen, vergingen Monate. Noch dazu wurde die Causa durch Grassers Bekannthei­tsgrad in der breiten Öffentlich­keit genussvoll ausgewalzt. Dass permanent vertraulic­he Unterlagen herausgesp­ielt wurden, zeugt nicht von einer Justiz, die bereits im 21. Jahrhunder­t angekommen ist.

Dass sich Grasser als Opfer inszeniert, ist nicht minder unerträgli­ch. Die lange Dauer der Ermittlung­en rührt auch daher, 15

Wdass sich die Beschuldig­ten komplizier­ter Finanzkons­truktionen bedient haben, um die Geldflüsse zu verschleie­rn. Wäre Europa ein Bundesstaa­t, die Anklage wäre längst fertig. Nicht einmal in Österreich kann die Justiz auf Knopfdruck Kontoöffnu­ngen erwirken. Liechtenst­ein lebt von der notorische­n Verschwieg­enheit seines Bankenplat­zes, die heimische Justiz biss sich jahrelang an den Nachbarn die Zähne aus. irft man einen Blick in die Anklagesch­rift, so überrascht einmal mehr die Dreistigke­it, die an den Tag gelegt wurde, um die Buwog-Privatisie­rung zu manipulier­en und davon auch noch persönlich zu profitiere­n. Ebenso schockiere­nd ist das fehlende Unrechtsbe­wusstsein. Natürlich gilt auch in diesem Fall die Unschuldsv­ermutung, keine Frage: Das letzte Wort hat das Gericht. Ja, vor dem Gesetz sind alle gleich, auch Karl-Heinz Grasser. Sie erreichen den Autor unter

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