ZUR PERSON
Esmahan Aykol, geb. 1970 in Edirne, Türkei, lebt in Istanbul und Berlin. Karriere: Arbeitete während ihres Jusstudiums als Journalistin für türkische Zeitungen und Radiosender. Ihr Erstlings-Kriminalroman „Hotel Bosporus“war in der Türkei ein Bestseller. Im Frühjahr erschien „Istanbul Tango“(Diogenes). gleiter der Gesellschaft. Wir haben damals gesehen, was alles passieren kann. Sechs junge Menschen starben damals! Was wir jetzt erleben, ist aber mit Angst gar nicht zu beschreiben, es ist ein Horrortrip.
Erdo˘gan hat bisher mehr als 10.000 Menschen festnehmen lassen. Was passiert mit denen? AYKOL: Das fragen wir uns auch, denn die Gefängnisse waren schon vorher überfüllt. Allein 60.000 Menschen wurden suspendiert in den vergangenen vier, fünf Tagen!
Haben Sie in Ihrem Freundeskreis auch Betroffene? AYKOL: Nein. Die Gülenisten und die AKP haben bis vor Kurzem die Türkei Hand in Hand regiert. Das sind beides islamistische Gruppen. Meine Familie, meine Freunde – wir sind alle säkular. Aber niemand weiß, was als Nächstes passiert, was noch alles auf uns zukommen wird. Wir hoffen nicht, dass Staatspräsident Erdogan˘ nun alle Oppositionelle in einen Topf wirft und alle festnimmt.
Der türkische Vize-Premier Mehmet Sim¸¸sek spricht von einem „Schurken-Netzwerk“, der Ausnahmezustand wurde verhängt. AYKOL: Und niemand kann sagen, in welche Richtung sich das Land in der nächsten Zeit entwickeln wird. „Schurken-Netzwerk“: Was ist damit gemeint? Wer ist damit gemeint? Das Unwissen macht Angst.