Auffangbecken für Türken und Briten
Christoph Leitl will Briten, Türken, Ukrainer im EWR ökonomisch an die EU binden.
WIEN. Unter dem Eindruck des Brexit und der Umwälzungen in der Türkei wartet Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl mit einem unkonventionellen Vorschlag auf. Leitl, zeit seines Lebens glühender Europäer, spricht sich vor dem Hintergrund der tektonischen Verschiebungen im Gespräch mit der Kleinen Zeitung für die Reaktivierung des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) aus. Die vertiefte Freihandelszone könnte jenen Ländern als Auffangbecken dienen, die die enge wirtschaftliche Kooperation mit der EU anstreben, an politischen Vertiefungen aber kein Interesse haben.
Allererste Kandidaten für die Megafreihandelszone wären Großbritannien, die Türkei, die Ukraine, aber auch der Nahe Osten und Nordafrika. „Das wäre ein großer Wirtschaftsblock mit einer Milliarde Menschen“, erklärt Leitl. „Mit dem Projekt könnte man auch alle politischen Widersprüche lösen – nämlich, wie geht man mit der Türkei um, die sich als mögliches EU-Mitglied aus dem Spiel genommen hat? Was macht man mit der Ukraine? Wie bindet man die Briten nach dem Austritt eng an die Union?“Dem EWR gehört aktuell Island, Norwegen, Liechtenstein an. Im EWR gelten die vier EUFreiheiten (Waren-, Personen-, Kapital-, Dienstleistungsverkehr).
Für Kerneuropa
Gleichzeitig spricht sich Leitl für die Schaffung eines Kerneuropas aus. Die Länder sollten auf dem Gebiet der Außen-, Sicherheits- und Flüchtlingspolitik, bei Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Jugendbeschäftigung vorangehen. „Ich rede nicht von den Vereinigten Staaten von Europas, sondern von einem Zukunftsbündnis, das sich auf das Wesentliche konzentriert und sich nicht mit Details wie Glühbirnen und Allergenen beschäftigt.“