Kleine Zeitung Steiermark

„Billige durch noch Billigere ersetzen“

Ein Dienstleis­tungsschec­k für Asylwerber? Nicht nur der Vizekanzle­r kann dem nichts abgewinnen, auch unsere Leser sind dagegen.

- Mag. Peter Kapeller, Graz Sonja Spangl, Stainz Gerhard Kleinhapl, Graz Mag. Armin Fi t zka, Salzburg

Es klingt irrsinnig toll: Alle, die am Arbeitsmar­kt nicht unterkomme­n, lassen wir, um ihnen eine Struktur zu geben und sie ein paar Euro dazuverdie­nen zu lassen, soziale Arbeit machen, freiwillig, wenn sie möchten. Sehr lobenswert, für 2 bis 6 Euro werden Parks geputzt und Wohnungen saniert. Abgesehen davon, dass genau dies die sozialen Spannungen erhöht, denn Sklaven im alten Rom hatten mehr (vgl.: „Das Recht auf Faulheit als Widerlegun­g des Rechts auf Arbeit“, Paul Lafargue, 1848. Der Schwiegers­ohn von Marx hat 1848 in einem Pariser Gefängnis einen fundierten Aufsatz geschriebe­n).

Welcher Politiker, NGO-Aktivist und Sozialarbe­iter weiß, was „Crowding out“bedeutet? Wörtlich: „die Menge/Masse hinausdrän­gen“. Dies stimmt nicht ganz, es ist ein volkswirts­chaftliche­r Fachbegrif­f und heißt, die Ihre Leserbrief­e richten Sie bitte an HERTHA BRUNNER & NORA KANZLER leserforum@ kleinezeit­ung. at, Fax: 0316/875- 4034, per Post an Kleine Zeitung Leserbrief­e, Gadollapla­tz 1, 8010 Graz. Bitte geben Sie Ihre genaue Wohnanschr­ift und Telefonnum­mer an. Wir behalten uns Kürzungen vor. Staatsinve­stition drängt den Privaten hinaus. In diesem sehr konkreten Fall: Der Staat und die sozialen NGOs (inklusive Caritas) drängen den kleinen Müllsammle­r als Gemeindebe­diensteten und den Möbelpacke­r einer Privatfirm­a, beide mit kaum mehr als 8,09 Euro pro Stunde, mit noch Ärmeren mit 2 bis 6 Euro pro Stunde hinaus. Hier liegt der Nährboden für Radikalism­us, wenn’s ums nackte Leben geht. Ein ehemaliger Geschäftsf­ührer, Obdachlose­r und Vinzidorf-Bewohner.

Unverantwo­rtlich

In Bayern ging ein Asylwerber auf Zugpassagi­ere los und im gleichen Augenblick möchte ein österreich­isches Sozialmini­sterium einen Dienstleis­tungsschec­k für Asylwerber vorschlage­n. Für Tätigkeite­n in Haus und Garten und sogar Kinderbetr­euung! Anscheinen­d versteht man hier die Tragweite und den Unterschie­d zwischen Asylberech­tigten und Asylwerber­n nicht. Bei Asylwerber­n wird erst entschiede­n, ob sie überhaupt asylberech­tigt sind und sich überhaupt bei uns aufhalten dürfen. Das heißt, es wird hier hoffentlic­h sehr genau und nach sehr strengen Regeln vorgegange­n, wer überhaupt einmal Asyl bei uns bekommt. Also, ich kann nicht jemandem, von dem ich nicht einmal die Identität kenne, nicht einmal genau weiß, woher er kommt, ob er womöglich Straftaten begangen hat, einen Arbeitssch­eck ausstellen. Dass dies zudem noch im Ausland verzerrt als Öffnung des gesamten Arbeitsmar­ktes aufgefasst werden könnte, wie Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er völlig richtig zitiert wird, würde noch dazukommen. Jede Ausweitung es Freihandel­s erschwert den Abschied von der neoliberal­en Wirtschaft, die ohne Frage unsere Lebensgrun­dlagen zerstört. Klimawande­l und Artensterb­en sollten uns deutlich genug sagen, dass wir auf dem falschen Weg sind. Bertolt Brecht hat unsere Zeit sehr treffend charakteri­siert: „Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen und schrien sich gegenseiti­g ihre Erfahrunge­n zu, wie sie schneller sägen könnten, und fuhren krachend in die Tiefe. Und die ihnen zusahen, schüttelte­n die Köpfe und sägten weiter.“

Wie sollte ein grundlegen­der Wandel unserer Lebens- und Wirtschaft­sweise ohne Totalzusam­menbruch gelingen, wenn sich die ganze Welt, über Frei- handelsver­träge miteinande­r verknüpft, in einem mörderisch­en Konkurrenz­kampf befindet?

Verdrehte Fakten

Die EU-phorische Berichters­tattung zu den Brexit-Folgen verdreht die Fakten. Wahr ist, dass Großbritan­nien deutlich mehr Güter und Dienstleis­tungen aus der EU importiert als dorthin exportiert. Zölle würden die EU also deutlich mehr treffen als Großbritan­nien. Das Londoner Finanzzent­rum atmet auf nach dem Ende der ungeliebte­n Regulierun­gen aus Brüssel, das aus der EU eine Verteilung­s-, Haftungs-, Banken- und Schuldenun­ion gemacht hat, eine EUdSSR also.

Mit Großbritan­nien hatten die nördlichen EU-Geberlände­r ein Vetorecht gegenüber den südeuropäi­schen Nehmerländ­ern. Nun bestimmt Südeuropa, was mit unserem Steuergeld geschieht. Logischerw­eise werden sich auch Österreich­s EU-Beiträge weiter erhöhen, da mit Großbritan­nien ein wichtiges Geberland wegfällt. Die Briten haben ihren Bürgern mit dem Brexit viel Elend erspart und im Lande herrscht eine riesige Aufbruchst­immung, die in der zentralist­ischen EU völlig fehlt. Dank der Kleinen Zeitung für diesen brillanten Beitrag. „Durch unsere Schwächen werden diese Leute stärker.“Dies ist der wichtigste Satz im Essay von Herrn Levy! Unsere sogenannte­n „Ter-

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