Im Kopf noch in der alten Heimat
Fast 8000 gebürtige Türken leben in der Steiermark. Warum die Erdogan-˘Fans hier sehr leise sind und was das mit den Kurden zu tun hat.
Graz, Bezirk Gries, rund um die Annenstraße: Hier, in schmucklosen Bauten mit oft abgeklebten Fensterfronten zum Gehsteig, lassen Migranten das Leben ihrer alten Heimat notdürftig wieder aufleben: Sie – das heißt die Männer – trinken türkischen Kaffee oder Tee, spielen Backgammon und tratschen.
Da ist das Vereinslokal der Aleviten, ein paar Hausnummern weiter jenes der Kurden, um die Ecke ein türkisches Gebetshaus. Gesprächsthema Nummer eins derzeit: der misslungene Militärputsch in der Türkei und die Konsequenzen, die Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ daraus zieht.
Während in Wien aber vor Kurzem Tausende Türken auf die Straße gingen, blieb es in Graz ruhig. Keine Pro-Erdogan-˘Kundgebungen, keine Türkei-Flaggen auf den Straßen. Warum, weiß Barı¸s Koç. Der 28-jährige Soziologiestudent ist selbst in der Türkei geboren. „In der Steiermark und Graz gibt es eine einzigartige Situation: Rund 90 Prozent aller Leute, die aus der Türkei hierhergekommen sind, haben einen kurdischen Hintergrund.“Die meisten türkischen Lebensmittel- und Kebabläden in Graz würden von Kurden betrieben.
Durch den harten Kurs, den Erdogan˘ in türkischen Kurdengebieten seit einem guten Jahr fährt, sind diese Leute dem türkischen Präsidenten gegenüber sehr kritisch eingestellt. Wenn in Graz Türken auf die Straße gehen, sind es Kurden, die gegen „den türkischen Staatsterror“demonstrieren, wie heuer im Mai. Und traditionell marschieren Kurden beim 1.-Mai-Zug der Kommunisten in Graz mit.
Erdogan-˘Fans gebe es in der Steiermark natürlich trotzdem. Das sieht auch Nuray KanikRichter so. Sie wurde ebenfalls in der Türkei geboren, saß für die