„Jedes Projekt braucht Wurzeln, aber auch Flügel“
Hannes Missethon, ehemaliger VP-Generalsekretär, arbeitet nun in Trofaiach professionell an der Integration von jungen Flüchtlingen und an der Kunst der Versöhnung.
Vom schwarzen Wadlbeißer zum versöhnlichen Unternehmer. Der 57-jährige Leobener Hannes Missethon, einst Nationalratsabgeordneter und VP-Generalsekretär, hat der Politik seit Jahren den Rücken gekehrt. Gesellschaftspolitisch ist er aber gut im Geschäft.
Mit seiner Agentur „Art of Reconciliation“, die er mit Desmond Doyle ins Leben gerufen hat, beschäftigt er sich mit der „Kunst der Versöhnung“. „Grundidee ist es gewesen, zu schauen, wo Versöhnungsprozesse gelungen sind. Man hört dauernd, wo etwas nicht gelingt. Das macht krank. Wir wollen zeigen, wie etwas gelingen kann“, erklärt der Leobener, der mit vielen Friedensnobelpreisträgern auf Du und Du ist. „Die Arbeit mit ihnen ist zufällig passiert, aber sie gibt uns viel Inspiration für Projekte“, meint Missethon.
Pragmatik
Auch seine Arbeit mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen, die österreichweit als beispielhaft gilt, entspringt einer solchen Inspiration. Aber mit Eingebung alleine ist es nicht getan. Mit der ihm eigenen Pragmatik – Missethon ist auch Montanist – näherte er sich der Herausforderung. „Die Grundfrage zu Beginn lautete: Was müssen wir tun, damit am Ende des Prozesses die jungen Flüchtlinge wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft sind?“
Dabei sei das Thema Schule mit Internat aufgetaucht. „Dazu hat jeder etwas im Kopf. Auch die Flüchtlinge selbst. Für sie bedeutet es einen sicheren, geordneten Tagesablauf“, so Missethon.
Konsequenz
Unter dem Namen „Talente für Österreich“werden im Trofaiacher Stockschloss 30 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren in deutscher Sprache und Alltagskultur unterrichtet. „Wir schauen konsequent darauf, dass die Regeln im Umgang eingehalten werden“, betont Missethon, der mittlerweile seinen Bruder Josef an Bord geholt hat, der das „Institut Talenteentwicklung“betreibt, das bereits als Bildungseinrichtung zertifiziert wurde.
Auch in Niklasdorf wurde eine Ausbildungsstätte in Zusammenarbeit mit der Bauwirtschaft aus der Taufe gehoben. „Die Jugendlichen werden vorbereitet, um die Aufnahmeprüfung für Lehrlinge bestehen zu können. Ziel ist es, mit der Wirtschaft gemeinsam Kooperationen zu finden. Firmen suchen bereits verzweifelt Lehrlinge. Das könnte ein Ansatz sein“, meint Missethon. Vor allem im Bereich der Mangelberufe.
Wichtig sei es aber für die Jugendlichen, dass sie Erwachsene haben, die sie begleiten. Vor allem ältere Männer, die selbst auch einmal Flüchtlinge waren, seien wichtige Orientierungspersonen für die Burschen. „Man muss Strenge und Konsequenz haben, aber die Burschen müssen spüren, dass wir sie mögen.“Ein Allgemeinrezept für die Integration gebe es nicht. „Unser Rezept ist genau für diese Zielgruppe und für Trofaiach richtig. Man muss jedes Projekt daran anpassen. Jedes ist speziell und jedes braucht Wurzeln, aber auch Flügel“, so Missethon.
Wandel
Auf die Frage, wie er nun seinen Wandel vom Generalsekretär zum Flüchtlingsexperten sieht, meint Missethon: „Ich bin in der angenehmen Lage, dass ich keine Systeme verändern muss. Ich bin aber dankbar für meine Möglichkeiten in der Politik, weil ich viel Lebenserfahrung sammeln konnte, und ich ermutige Menschen, in der Politik tätig zu sein. Ich will die Gesellschaft nicht verändern, aber wenn unsere kleinen Projekte zu Veränderungen beitragen, soll es mir recht sein.“