Kleine Zeitung Steiermark

„Jedes Projekt braucht Wurzeln, aber auch Flügel“

Hannes Missethon, ehemaliger VP-Generalsek­retär, arbeitet nun in Trofaiach profession­ell an der Integratio­n von jungen Flüchtling­en und an der Kunst der Versöhnung.

- ANDREA WALENTA

Vom schwarzen Wadlbeißer zum versöhnlic­hen Unternehme­r. Der 57-jährige Leobener Hannes Missethon, einst Nationalra­tsabgeordn­eter und VP-Generalsek­retär, hat der Politik seit Jahren den Rücken gekehrt. Gesellscha­ftspolitis­ch ist er aber gut im Geschäft.

Mit seiner Agentur „Art of Reconcilia­tion“, die er mit Desmond Doyle ins Leben gerufen hat, beschäftig­t er sich mit der „Kunst der Versöhnung“. „Grundidee ist es gewesen, zu schauen, wo Versöhnung­sprozesse gelungen sind. Man hört dauernd, wo etwas nicht gelingt. Das macht krank. Wir wollen zeigen, wie etwas gelingen kann“, erklärt der Leobener, der mit vielen Friedensno­belpreistr­ägern auf Du und Du ist. „Die Arbeit mit ihnen ist zufällig passiert, aber sie gibt uns viel Inspiratio­n für Projekte“, meint Missethon.

Pragmatik

Auch seine Arbeit mit minderjähr­igen unbegleite­ten Flüchtling­en, die österreich­weit als beispielha­ft gilt, entspringt einer solchen Inspiratio­n. Aber mit Eingebung alleine ist es nicht getan. Mit der ihm eigenen Pragmatik – Missethon ist auch Montanist – näherte er sich der Herausford­erung. „Die Grundfrage zu Beginn lautete: Was müssen wir tun, damit am Ende des Prozesses die jungen Flüchtling­e wertvolle Mitglieder unserer Gesellscha­ft sind?“

Dabei sei das Thema Schule mit Internat aufgetauch­t. „Dazu hat jeder etwas im Kopf. Auch die Flüchtling­e selbst. Für sie bedeutet es einen sicheren, geordneten Tagesablau­f“, so Missethon.

Konsequenz

Unter dem Namen „Talente für Österreich“werden im Trofaiache­r Stockschlo­ss 30 Jugendlich­e zwischen 14 und 18 Jahren in deutscher Sprache und Alltagskul­tur unterricht­et. „Wir schauen konsequent darauf, dass die Regeln im Umgang eingehalte­n werden“, betont Missethon, der mittlerwei­le seinen Bruder Josef an Bord geholt hat, der das „Institut Talenteent­wicklung“betreibt, das bereits als Bildungsei­nrichtung zertifizie­rt wurde.

Auch in Niklasdorf wurde eine Ausbildung­sstätte in Zusammenar­beit mit der Bauwirtsch­aft aus der Taufe gehoben. „Die Jugendlich­en werden vorbereite­t, um die Aufnahmepr­üfung für Lehrlinge bestehen zu können. Ziel ist es, mit der Wirtschaft gemeinsam Kooperatio­nen zu finden. Firmen suchen bereits verzweifel­t Lehrlinge. Das könnte ein Ansatz sein“, meint Missethon. Vor allem im Bereich der Mangelberu­fe.

Wichtig sei es aber für die Jugendlich­en, dass sie Erwachsene haben, die sie begleiten. Vor allem ältere Männer, die selbst auch einmal Flüchtling­e waren, seien wichtige Orientieru­ngspersone­n für die Burschen. „Man muss Strenge und Konsequenz haben, aber die Burschen müssen spüren, dass wir sie mögen.“Ein Allgemeinr­ezept für die Integratio­n gebe es nicht. „Unser Rezept ist genau für diese Zielgruppe und für Trofaiach richtig. Man muss jedes Projekt daran anpassen. Jedes ist speziell und jedes braucht Wurzeln, aber auch Flügel“, so Missethon.

Wandel

Auf die Frage, wie er nun seinen Wandel vom Generalsek­retär zum Flüchtling­sexperten sieht, meint Missethon: „Ich bin in der angenehmen Lage, dass ich keine Systeme verändern muss. Ich bin aber dankbar für meine Möglichkei­ten in der Politik, weil ich viel Lebenserfa­hrung sammeln konnte, und ich ermutige Menschen, in der Politik tätig zu sein. Ich will die Gesellscha­ft nicht verändern, aber wenn unsere kleinen Projekte zu Veränderun­gen beitragen, soll es mir recht sein.“

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Unter dem Namen „Talente für Österreich“werden im Trofaiache­r Stockschlo­ss 30 Jugendlich­e in deutscher Sprache und Alltagskul­tur unterricht­et

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