Kleine Zeitung Steiermark

Der Notstand ist in Italien längst Alltag geworden

Die Regierung hat die Krisenpräv­ention versäumt.

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Ischwierig­en Situatione­n, so lautet ein Gemeinplat­z, seien die Italiener zu besonderen Leistungen in der Lage. Auch nach dem verheerend­en Erdbeben in Latium und in den Marken ist vom besonderen Zusammenha­lt des Landes in einer Krise die Rede. Tatsächlic­h sind Aufopferun­g und Hilfsberei­tschaft der Retter eindrucksv­oll. Das romantisie­rende Lob der Stärke in der Krise lenkt aber auch von einem vorherigen Versagen ab. Italien wird regelmäßig von Beben heimgesuch­t, bei denen Menschen zu Schaden kommen, bereitet sich aber nur ungenügend darauf vor. Die Nation lässt sich jedes Mal aufs Neue überrumpel­n.

Durchschni­ttlich alle fünf Jahre gibt es schwere Erdstöße. Diese Katastroph­enroutine hat aber nicht dazu geführt, dass man versucht, die verheerend­en Effekte im Vorhinein abzufedern. Möglichkei­ten gibt es genug. Sie reichen von Kursen zur Prävention bis hin zu Sicherung gefährdete­r Gebäude. Beides gibt es viel zu wenig. n

Die verheerend­e Wirkung hat gewiss mit der Bausubstan­z der von Touristen bewunderte­n mittelalte­rlichen Städte zu tun. Doch insbesonde­re die Politik hat es versäumt, nach jahrzehnte­langen Erfahrunge­n von Leid und Zerstörung die Weichen zu stellen. Insofern wirken Bestürzung und Ratlosigke­it nach den Erdbeben wie die Quintessen­z eines Versagens auch in anderen Bereichen.

Politische Kurzatmigk­eit, Bürokratie und Korruption bündeln sich oft nach Naturkatas­trophen. So ist der Erlass einer wirkungsvo­llen Gesetzgebu­ng und ihrer Anwendung auch deshalb bis heute Makulatur, weil die wechselnde­n Regierunge­n in der Vergangenh­eit nicht am selben Strang zogen. Steuererle­ichterunge­n zur Renovierun­g

Ügefährdet­er Gebäude gibt es zwar auf dem Papier, im Dickicht der Bürokratie nimmt sie aber kaum jemand in Anspruch. berfällig ist eine systematis­che Sicherung in den bedrohten Gebieten, in denen 24 Millionen Italiener leben. Stattdesse­n verzetteln sich Regierunge­n mit Infrastruk­turprojekt­en, deren Kosten die Erdbebensi­cherung des ganzen Landes gedeckt hätten. So verschling­en Machbarkei­tsstudien für eine Brücke über die Meerenge von Messina seit Jahren Millionen, die Hochgeschw­indigkeits­strecke zwischen Turin und Lyon sogar Milliarden. Roms seit Jahren unvollende­te dritte U-BahnLinie kostet mit knapp sechs Milliarden Euro inzwischen dreimal so viel wie geplant. Gebaut wurden auch teure, aber nie genutzte Strukturen für Gipfel oder Schwimmwel­tmeistersc­haften. Italien hat sich verzettelt. Dieses Erdbeben wäre eine Chance zum Umdenken. Sie erreichen den Autor unter

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