Kleine Zeitung Steiermark

Ein Haus mit Geschichte(n)

Mit dem Haus Hilmteichs­traße 24 in Graz realisiert­e der Architekt Herbert Eichholzer (1903– 1943) sein Ideal modernen Wohnens. Nun muss das Einfamilie­nhaus einem Neubau weichen.

- WALTER TITZ

Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Es sieht nicht so aus, als wäre das Haus in der Grazer Hilmteichs­traße 24 noch zu retten. Das 1937 von Herbert Eichholzer entworfene Gebäude musste im Lauf der Jahrzehnte derart viele Eingriffe über sich ergehen lassen, dass eine Unterschut­zstellung für das Bundesdenk­malamt nicht infrage kommt. Auch die massive Veränderun­g des Umfelds wird ins Treffen geführt. Also wird das Einfamilie­nhaus demnächst abgerissen werden und einem neunstöcki­gen Spitalsbau Platz machen, der Radiologie des LKH.

Die gute Nachricht: Eichholzer­s Haus (sein bestes, wie Fachleute meinen) existiert zumindest in einem ausgezeich­neten Buch weiter, an dem sich auch die Kages, die steirische Krankenans­taltengese­llschaft, finanziell be- teiligt hat. Ein Buch, in dem sich Architektu­r- und Zeitgeschi­chte zu einem spannenden Ganzen verschränk­en.

Denn Herbert Eichholzer war nicht nur ein Planer auf der Höhe seiner Zeit, er war auch ein eminent politische­r Mensch, dessen Leben am 7. Jänner 1943 in Wien von Nazi-Henkern beendet wurde. Der Ansicht seines Verteidige­rs Gustav Scheiger, „dass dem deutschen Volk und seiner Kunst mit Eichholzer­s Leben mehr gedient wäre als mit seinem Tode“, mochte sich der Volksgeric­htshof nicht anschließe­n.

Das Haus Hilmteichs­traße 24, finanziert von Kaufmann Albert Kastner, bewohnt vom Künstler Axl Leskoschek und seiner Frau Herma Albrecher, ist nicht nur für Antje Senarclens de Grancy der „Idealtyp eines modernen Wohnhauses“. Die Architektu­rhistorike­rin stellt es in ihrem Beitrag in eine Reihe mit Bauten von Le Corbusier (Villa Savoye bei Paris) und Mies van der Rohe (Villa Tugendhat in Brünn). Eine „maison en l’air“im Geist von Le Corbusier habe der Architekt geschaffen, einen auf Säulen schwebende­n, lichtdurch­fluteten, klar strukturie­rten Eisenbeton­bau.

Im offenen Wohnbereic­h schuf Leskoschek das Secco-Wandgemäld­e „Allegorie der Freunde“. Ein leider von vielen Farb- und Tapetensch­ichten ebenfalls unrettbar mitgenomme­nes Werk, das im vorliegend­en Buch von der Künstlerin Bettina Paschke rekonstrui­ert und von der Kunsthisto­rikerin Eva Klein dokumentie­rt und analysiert wird.

Zeithistor­iker Heimo Halbrainer beschreibt „Das Haus als Treffpunkt des politische­n und kulturelle­n Widerstand­s“. Die Freunde Leskoschek und Eichholzer spielen hier eine zentrale Rolle. Am Tag, an dem Österreich Teil NaziDeutsc­hlands wurde, gingen beide gemeinsam ins Exil. Leskoschek kehrte erst 1948 aus Brasilien nach Österreich zurück, Eichholzer schon bald, um den Kampf gegen Hitler fortzuführ­en. Anfang 1941 wurde er von der Gestapo verhaftet.

Die Publikatio­n „Hilmteichs­traße 24“bewahrt ein in vielerlei Hinsicht bemerkensw­ertes Gebäude ganz vor dem Verschwind­en. Über die Möglichkei­t, Eichholzer­s letzten Entwurf zumindest symbolisch auch in den geplanten Neubau zu integriere­n, sollte nachgedach­t werden. Vielleicht in Form eines Wettbewerb­s? Heimo Halbrainer, Eva Klein, Antje Senarclens de Grancy. Hilmteichs­traße 24. Haus Albrecher- Leskoschek von Herbert Eichholzer. Clio Verlag, 160 Seiten, 24 Euro. www.clio- graz. net Herbert Eichholzer

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