Das Burkini-Verbot in Frankreich ist verboten
Frankreichs Oberstes Verwaltungsgericht in Paris hat die umstrittenen Burkini-Verbote an französischen Stränden für unrechtmäßig erklärt.
Frankreichs Oberstes Verwaltungsgericht hat die umstrittenen Burkini-Verbote an Stränden für unrechtmäßig erklärt. In einer Grundsatzentscheidung setzte der Staatsrat in Paris das im Badeort VilleneuveLoubet verhängte Verbot des muslimischen Ganzkörperbadeanzugs aus. Die Freiheitsrechte könnten nur bei „erwiesenen Risiken“für die öffentliche Ordnung eingeschränkt werden.
Die Burkini-Verbote haben in Frankreich eine erbitterte Debatte ausgelöst. Seit dem Anschlag von Nizza mit 86 Toten haben mehr als 30 Gemeinden solche Verbote an ihren Stränden verhängt. Es begann im Juli mit einem Erlass der reichen Gemeinde Cannes an der Riviera, der zunächst unbemerkt blieb. Die Bürgermeister begründen dies mit der angespannten Stimmung: Muslimische Badebekleidung könne als Provokation empfunden werden und zu Störungen der öffentlichen Ordnung führen.
Der von Menschenrechtsgruppen angerufene Staatsrat erklärte nun, eine solche Begründung sei unzureichend. Für ein Verbot müsse es vielmehr „erwiesene Risiken“für die öffentliche Ordnung geben. Die unter anderem durch den Terroranschlag von Nizza ausgelösten „Emotionen und Sorgen“alleine könnten keine Rechtfertigung sein.
Die Richter machten auch deutlich, dass die Bürgermeister keine Badebekleidung verlangen können, welche die „Laizität“respektiert. Diese Formulierung findet sich in den Burkini-Verboten wieder. Konkret befassten sich die Richter mit nur einem Verbot, jenem aus dem südfranzösischen Villeneuve-Loubet. Ihr Urteil ist aber eine Grundsatzentscheidung und damit für alle Verwaltungsgerichte des Landes bindend. Das bedeutet aber nicht, dass alle anderen Burkini-Verbote automatisch aufgehoben sind – zunächst muss juristisch gegen sie vorgegangen werden.
„Ja, es gibt eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Religionsfreiheit, und der Bürger- meister hatte nicht die Befugnis, diese Freiheit einzuschränken“, sagte Klägeranwalt Patrice Spinosi. Der Zentralrat der Muslime begrüßte das Urteil. „Das ist ein Sieg des Rechts und der Weisheit, der das Zusammenleben in unserem Land fördern wird“, sagte Vize-Chef Abdallah Zekri. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte den Richterspruch. „Diese Verbote erhöhen nicht die öffentliche Sicherheit, sondern fördern die öffentliche Demütigung“muslimischer Frauen, sagte Europadirektor John Dalhuisen.
Acht Monate vor den Präsidentenwahlen macht sich die Rechte das Thema unabhängig von der Entscheidung zu eigen. ExStaatschef Nicolas Sarkozy möchte ohnehin eine Debatte über Sicherheit und Identität der Franzosen führen, da kommt der Burkini-Streit offensichtlich gelegen. Der 61-Jährige, der 2017 den Élysée-Palast zurückerobern will, plädiert für ein neues Gesetz: Äußere Zeichen einer Religionszugehörigkeit sollten verboten werden, forderte der Konservative für Schulen, Universitäten, Verwaltungen oder Unternehmen. Schon seit 2004 gilt in Schulen eine Null-Toleranz-Linie gegen „auffällige religiöse Symbole“; Frankreich hat zudem seit fünf Jahren ein Burka-Verbot.