Rückkehr nach 63 Jahren
Hilde Tomschegg (83) aus Kalsdorf lebte acht Jahre lang als Flüchtlingskind in der Kaserne Straß. Ein Besuch der Räume weckte nun schöne wie traurige Erinnerungen.
Hilde Tomschegg hatte bereits mit ihrem Leben abgeschlossen. Auf einem Hügel irgendwo im slowenisch-steirischen Grenzgebiet stand die damals Zwölfjährige neben ihrer Mutter und 13 weiteren Angehörigen der deutschen Minderheit in Slowenien vor einem Erschießungskommando der Tito-Partisanen. „Wird’s wehtun?“, fragte sie ihre Mutter. „Nur ein kleiner Brenner“, versuchte diese, ihre Tochter zu beruhigen.
Die Intervention alliierter Soldaten verhinderte an jenem Jännertag 1945 im letzten Moment die Erschießung. Familie Tom- schegg landete über Umwege in der Kaserne Straß, die zu einem Flüchtlingslager unter britischer Verwaltung geworden war. Für Hilde Tomschegg, gebürtig aus Krajn, wurde das alte Schloss danach acht Jahre zu ihrer Heimat.
In die sie kürzlich nach 63 Jahren zurückkehrte. „Mein Enkelsohn war zwar hier eingerückt, aber am Tag der offenen Tür war ich krank“, erzählt die Kalsdorferin. Tochter Andrea überraschte die 83-Jährige nun mit einem exklusiven Rundgang durch die Kaserne in Begleitung von Bataillonskommandant Oberst Bernhard Köffel.
„Viel hat sich im Schloss nicht verändert, es wurde halt saniert und verschönert“, sagt Tomschegg. Auch das Zimmer, in dem sie damals wohnte, konnte sie besichtigen. Zwei Nächte musste sie seinerzeit dort neben ihrer toten Schwester schlafen. Diese war mit sechs Monaten an einer Lungenentzündung gestorben. „Meine Mutter konnte sich einfach nicht von ihr trennen.“
Dass die Familie in Straß bleiben durfte, während die anderen Flüchtlinge nach Wagna verlegt wurden, lag am Beruf des Vaters: Als Schuhmacher war er den britischen Soldaten wichtig. Dennoch musste die junge Hilde oft hungern. „Die Straßer Kinder haben uns oft Äpfel und rohe Erdäpfel durch den Zaun geworfen.“
Sie verbindet aber auch viele schöne Erinnerungen mit dieser Zeit. An die Schule in Leibnitz, an den Klavierunterricht, den die Eltern mit Zigaretten bezahlten. Ihnen folgte Tomschegg schließlich 1953 nach Graz.