Jugendwerk als späte Entdeckung
Mit „Niemand“wartet das Theater in der Josefstadt mit einer sensationellen Uraufführung auf. Ödön von Horvaths Stück aus 1924 war bis vor Kurzem völlig unbekannt.
Kommenden Donnerstag bringt das Theater in der Josefstadt eine besondere Uraufführung heraus. Hausherr Herbert Föttinger inszeniert „Niemand“von Ödön von Horváth. Der österreichisch-ungarische Schriftsteller des Jahrgangs 1901 wurde am 1. Juni 1938 im Pariser Exil bei einem Gewitter von einem Ast erschlagen. Einige Stunden davor verhandelte er noch mit dem Regisseur Robert Siodmak über die Verfilmung seines Romans „Jugend ohne Gott“.
76 Jahre nach dem Tod des Autors also eine Uraufführung. Kann das mit rechten Dingen zugehen? Gewiss. Denn Horváths Jugendstück „Niemand“, das er vermutlich 1924 beim Berliner Avantgarde-Verlag „Die Schmiede“zur Bühnenverwertung eingereicht hatte, kam in die Konkursmasse des von Julius Salter und Fritz Wurms gegründeten Verlags. Für Kurt Tucholsky waren die beiden gewissenlose Schnalzer, die man mit „Peitschenhieben verjagen“sollte. Deren Geschäftspraxis habe unter anderem darin bestanden, Rechnungen nicht zu bezahlen und Autorenhonorare einzubehalten.
Das 95-seitige Horváth-Stück über die Bewohner eines Mietshauses mit dem Untertitel „Tragödie in sieben Bildern“wurde nicht im urheberrechtlichen Sinne veröffentlicht, sondern erschien nur als Typoskript in blauem Einband. In keinem der gängigen Verzeichnisse – der HorváthNachlass liegt seit Anfang der 90er-Jahre bei der Nationalbibliothek und der Wienbibliothek – ist dieses Stück verzeichnet.
Ein vager Hinweis
Der vor 20 Jahren verstorbene Germanist Traugott Krischke zitiert allerdings in seiner 1980 bei Heyne erschienenen HorváthBiografie „Kind seiner Zeit“dessen jüngeren Bruder Lajos mit einem vagen Hinweis auf ein in expressionistischer Manier geschriebenes Theaterstück „in einem blauen Umschlag“mit dem Titel „Niemand“.
Der Autor selbst hat dieses frühe Stück möglicherweise ver- „Niemand“von Ödön von Horváth in der Regie von Herbert Föttinger. Mit Florian Teichtmeister, Raphael von Bargen, Gerti Drassl u. v. a. Uraufführung (ausverkauft) am 1. 9., 19.30 Uhr, Theater in der Josefstadt, Wien. Karten für weitere Termine: Tel. ( 01) 42700 300, josefstadt.org Es folgen eine Neuinszenierung am Landestheater Linz ( Premiere am 3. Dezember) und die deutsche Erstaufführung im März 2017 am Deutschen Theater Berlin. worfen. In keiner seiner Hinterlassenschaften findet sich ein Hinweis auf „Niemand“. Auch von der Konkursmasse der „Schmiede“verliert sich jede Spur. Bernd Kost vom Antiquariat Kiefer in Pforzheim erinnert sich noch an die „Auktion 59“. Am 5. Mai 2006 waren auf einem Dachboden gefundene Reste der „Schmiede“-Hinterlassenschaft zur Auktion gebracht worden. Ein Los war eben jenes verschol-