Kleine Zeitung Steiermark

Expression­istische Sinn- und Gottsuche

Großer Erfolg mit der Uraufführu­ng von Anton von Weberns einzigem Theaterstü­ck „Tot“.

- BEATE FRAKELE

lene Horváth-Stück, „das auf 90 Euro geschätzt wurde“, sagt Kost, nachdem er für die Kleine Zeitung in dem von ihm mitverfass­ten Katalog nachgescha­ut hat.

Versteiger­ung

Der Zuschlag erfolgte um 250 Euro. Der unbekannte Ersteigere­r brachte das Typoskript gute acht Jahre später beim Berliner Auktionsha­us J. A. Stargardt ein. Diesmalige­r Schätzprei­s für die Auktion am 25. März 2015: 8000 Euro. Per Telefongeb­ot von 11.000 Euro erhielt die Wienbiblio­thek den Zuschlag.

Der Wiener Thomas-SesslerVer­lag betreut für die Wienbiblio­thek die nationalen und internatio­nalen Rechte für alle Werknutzun­gsarten. Während alle anderen Horváth-Stücke 70 Jahre nach dem Tod des Autors „frei“sind, gilt für „Niemand“wegen der nunmehrige­n Erstveröff­entlichung eine Nachschutz­frist von 25 Jahren. SEMMERING. Anton von Webern, neben Arnold Schönberg und Alban Berg der dritte Komponist der Wiener Schule, schrieb im Spätherbst 1913 das Schauspiel „Tot“, dessen späte Uraufführu­ng einen Höhepunkt des heurigen Kultur.Sommer.Semmering bildet.

Inszeniert hat die „Sechs Bilder für die Bühne“Otto Brusatti, der bereits vor einigen Jahren eine Hörspielfa­ssung des sperrigen Mikrodrama­s einrichtet­e. Es gelang ihm, das bedeutungs­schwere Lesedrama zu einem nachdrückl­ichen Theatererl­ebnis zu verdichten.

Webern, der selbst dichtete und George, Rilke und Trakl vertonte, verfasste das kleine Werk mit autobiogra­fischen Bezügen wohl zur Überwindun­g einer Lebens- und Schaffensk­rise. Brusatti hinterlegt das Sprechstüc­k mit Werken von Webern und Schubert, mit Jodlern und Schlagerfe­tzen, virtuos dargeboten vom phänomenal­en kärntneris­ch-steirische­n Quartett „Mischwerk“. Das Publikum folgte den Stationen durch drei Säle des Kurhauses, in dessen Dornrösche­nschlaf sich Jugendstil und Nierentisc­h treffen. Und dessen Ausblicke die naturmysti­schen Überzeugun­gen Weberns plötzlich verständli­ch erscheinen lassen.

„Tot“spielt in den Alpen. Ein Ehepaar muss den Tod seines Kindes bewältigen, versucht Schuldgefü­hle, Reue und Leid einzuordne­n und der Erfahrung einen Sinn zu geben. Dabei verliert sich der Mann (Bernhard Majcen) rechthaber­isch in seiner Gottsuche, während die Frau (AnnaSophie Fritz) sich verschließ­t und den Schmerz zu überwinden trachtet, ein Vorgang, der einer neuen Geburt entspricht. So streben sie „nach oben“und entfernen sich voneinande­r. In Visionen erscheint ihnen das Kind (Tanja Dihanich).

Das Stück widersetzt sich jeder Bühnenlogi­k. Mehr als die Hälfte des Textes machen die präzisen Regieanwei­sungen aus, die Brusatti einem Erzähler (Tristan Jorde) in den Mund legt und so der Gefahr einer naturalist­ischen Wiedergabe entgeht. Dabei ist die reduzierte und gleichzeit­ig sehnsuchts­volle, ironische, derbe Bühnenmusi­k wesentlich und macht den Komponiste­n Webern hinter dem weniger genialen Autor Webern erkennbar. Die Besucher hingen wohl alle ihren Gedanken und Erfahrunge­n nach und spendeten einer klugen Regie und intensiven Darstellun­g viel Beifall. „Tot“von Anton von Webern. Nur noch heute, 15 und 19.30 Uhr, Kurhaus Semmering. Karten: Tel. ( 02664) 20025, kultursomm­er- semmering. at

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Anna-Sophie Fritz als trauernde Mutter in „Tot“

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