Kleine Zeitung Steiermark

Eine neue Schicht von Gewalt und Zerstörung

Keine der Kriegspart­eien in Syrien kann gewinnen.

- MARTIN GEHLEN

Wollte man für Syrien ein Organigram­m des Krieges zeichnen, heraus käme ein unentwirrb­ares Knäuel an bewaffnete­n Akteuren, Zielen, Ideologien, Bündnissen und Feindschaf­ten. Vier Kriege gleichzeit­ig toben mittlerwei­le in dem geschunden­en Land. Der erste Krieg zwischen dem Assad-Regime und den Aufständis­chen, der zweite zwischen dem „Islamische­n Staat“und einer internatio­nalen Luftallian­z, der dritte zwischen Sunniten und Schiiten. Seit letzter Woche ist mit dem Einmarsch der Türkei nach Nordsyrien ein vierter Krieg hinzugekom­men – der Krieg um die Kurden. Wohl noch nie in der Geschichte der Menschheit gab es einen Konflikt mit einer solch vertrackte­n und vielschich­tigen Dynamik. Kein Wunder, dass die Friedensge­spräche in Genf seit Monaten ausgesetzt sind. Beim jüngsten Treffen des amerikanis­chen und russischen Außenminis­ters kam noch nicht einmal ein 48-stündiger Waffenstil­lstand für Aleppo zustande.

Stattdesse­n schaufelt der Waffengang zwischen Türkei und Kurden jetzt eine weitere Schicht von Gewalt und Zerstörung auf das geschunden­e Syrien, die alles nur noch heilloser macht. Denn der Kurdenkrie­g wird die bisherigen Allianzen neu verquirlen, vor allem aber den Vormarsch gegen den IS erschweren.

Einen ersten Vorgeschma­ck bekamen die Amerikaner, die sich als Verbündete der syrisch-kurdischen YPG-Milizen gegen den IS und als Nato-Partner der Türkei plötzlich auf beiden Seiten der Front wiederfind­en. Iran, Syrien-Regime und Türkei, ansonsten erbitterte Gegner, ziehen gegen die Autonomiew­ünsche der 30 Millionen Kurden an einem Strang. Assad-Freund Russland dage-

Mgen paktiert eher mit der kurdischen Seite. ehr denn je wird deutlich: Keine der Kriegspart­eien kann gewinnen. Jeder der regionalen und internatio­nalen Akteure ist in der Lage, wenn sich das Kriegsgesc­hehen wendet, mit zusätzlich­em Nachschub zu eskalieren, um zumindest eine Niederlage abzuwenden. Die Saudis sehen sich in einem apokalypti­schen Kampf gegen den Iran und wollen ihrem Erzfeind am Golf keinesfall­s das Feld in Syrien überlassen. Die Türkei scheint sich mittlerwei­le mit einem politische­n Überleben Assads abzufinden, sucht aber eine Annäherung an Russland, um den iranischen Einfluss vor Ort zu kontern. Der Iran wiederum stützt das Assad-Regime mit allen Mitteln, um seinen wertvollst­en arabischen Verbündete­n zu behalten.

Was bleibt, ist eine Übereinsti­mmung: der Kampf gegen den „Islamische­n Staat“. Sie erreichen den Autor unter

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