„Darüber darf man nicht nachdenken“
Ein junger Kärntner Polizist starb im Einsatz in Wien – wir begleiteten seine Kolleginnen und Kollegen auf einem ihrer oft riskanten Kontrollgänge.
In der Wiener U-Bahn-Station Gumpendorfer Straße sind sie bereits am Vormittag unterwegs. Jene Menschen, die sich leeren Blickes durch die Station schleifen und die Vorübergehenden leise murmelnd nach Methadon oder Codein fragen. Und jene, die ihnen diese und härtere Drogen verkaufen. Die U-Bahn-Station ist seit Langem einer der DrogenHotspots der Stadt. Fünf Männer in Polizeiuniform mischen sich in die Menge und kontrollieren Ausweise. Auf ihren Jacken prangen zwei Buchstaben: BE – Bereitschaftseinheit.
Seit 2012 ist jeder Polizist in Wien verpflichtet, fünf Monate lang Teil der sogenannten Bereitschaftseinheit zu sein, um Hotspots, U-Bahnen und SpontanDemonstrationen zu sichern. Die Beamten sind in permanenter Einsatzbereitschaft, „frei hat man nur, wenn man frei hat“, erklärt Gruppenkommandant Martin Macor, während er und seine Kollegen durch die Station marschieren. Dass der Villacher nach Wien gehen würde, war ihm früh klar. „Die Erfahrungen, die du hier sammelst, kann dir keiner nehmen, denn die Intensität der Einsätze ist unvergleichlich höher als bei Einsätzen in Kärnten“, erklärt der 28-Jährige, der mit seinem Team kurz darauf zur UBahn-Station Margaretengürtel weiterfährt. Dort durchkämmen sie einen angrenzenden Park, kontrollieren zwei Personen. Bei der Einheit geht es nicht nur um Ergebnisse, sondern auch um die
DSteigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Stadtbewohner. Eine nicht ungefährliche Aufgabe.
Auch Macor kannte den 23jährigen Kärntner Kollegen bei der Funkstreife, der Anfang Juli beim Einsatz im Bezirk Penzing durch die Kugel eines Supermarkträubers starb. „Darüber darf man nicht nachdenken“, erzählt Macor. „Jedem ist klar, dass in diesem Beruf immer etwas passieren kann.“ie Männer und Frauen der 220 Personen starken Einheit sind jung, der Altersdurchschnitt liegt zwischen 25 und 30 Jahren. Dafür bekam der Leiter der Einheit, Oberstleutnant Manfred Ihle, einiges an Kritik zu hören. Amnesty International Österreich kritisierte eine per Video aufgezeichnete Überwältigung eines tobenden Verdächtigen durch die Einheit. Auch die Meldung, dass eine betrunkene Unternehmerin in der Silvesternacht durch Beamte verletzt wurde, dominierte tagelang die Schlagzeilen. Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) machte damals das jugendliche Alter der Polizisten verantwortlich. Den Vorwurf, dass seine Einheit aus „jungen Wilden“bestehe, will Ihle nicht gelten lassen. „Die Kollegen haben mindestens eineinhalb Jahre in einer Inspektion hinter sich, bevor sie zu uns kommen“, sagt er und verweist auf die Erfolgsstatistik seiner Schützlinge. Die Einheit feiert morgen ein Jubiläum: 10.000 Festnahmen seit ihrem Bestehen. Mehr als 260.000 Mal wurde kontrolliert, mehr als 38.000 Mal Anzeige erstattet. „Und dem Finanzminister haben wir seither dank Abstrafungen 558.000 Euro eingebracht“, fügt Ihle grinsend hinzu.
Die Nachricht vom Tod des jungen Kollegen habe Wirkung gezeigt bei der Truppe. „Das hat sie schon getroffen“, sagt Ihle. Ein paar wenige Polizisten hätten gekündigt, einige die Schule abgebrochen. „Aber das Gute ist, dass sie vorsichtiger in den Dienst gehen“, erklärt Ihle. Inzwischen ist es früher Nachmittag, die Beamten fahren weiter zum Bahnhof Meidling, einem weiteren Brennpunkt.
Beim Rundgang fällt ihnen ein junger Mann auf, der sichtlich nervös wird, als er die Polizisten sieht. Sie fordern ihn auf, sich auszuweisen. Die Zentrale, der sie seine Daten durchgeben, meldet sich zurück: Es handelt sich um einen 22-jährigen Algerier, dessen Ansuchen um Asyl bereits abgelehnt wurde, der sich aber nach einer Ausreise in einem erneuten Verfahren befindet. Delikte wie Hehlerei, Drogenhandel und Diebstahl scheinen in seiner Datei auf. Der Algerier muss den Beamten auf eine Grünanlage am nahe gelegenen Schedifkaplatz folgen. In einer Telefonzelle, als Sichtschutz vor Schaulustigen, wird er durchsucht. Ein kleines