Knallbunt und hyperrealistisch
Weltfluch und Weltschmerz am Lido: In Venedig werden zum Auftakt die ganz großen Gefühle ausgepackt. Da sind selbst die Kritiker gerührt.
FILMFESTSPIELE VENEDIG
Sie (Emma Stone) ist eine Schauspielerin, die es in der Traumfabrik erst noch schaffen muss. Er (Ryan Gosling) ist ein Jazzmusiker, der künstlerisch keine Kompromisse eingehen will. Aus dieser Konstellation formt US-Regisseur Damien Chazelle („Whiplash“) ein romantisches Filmmusical, dessen hinreißende Darsteller zwar nicht wirklich singen können, dessen Charme am Lido aber sogar abgebrühte Filmkritiker zum Schwärmen brachte: Mit dem knallbunten Meisterwerk „La La Land“(ein Synonym für Hollywood) tätigte Festivalchef Alberto Barbera somit den perfekten Griff für die Eröffnung der Filmfestspiele in Venedig.
Das Weltfluchtszenario erweist sich in weiterer Folge allerdings keineswegs als Leitmotiv – auch wenn am ersten Festivaltag Derek Cianfrances hochgelobtes Rührstück „The Light Between Oceans“im Mittelpunkt stand: Der Film erzählt von einem ExSoldaten (Michael Fassbender), der sich nach dem Schrecken des Ersten Weltkrieges mit seiner jungen Frau (Alicia Vikander) als Leuchtturmwärter auf eine einsame australische Insel zurückzieht. Als, nach mehreren traumatischen Fehlgeburten, ein Baby in einem Boot angespült wird, scheint das Glück des Paars perfekt. Das Kind hat aber seine eigene Geschichte, die sich im Zuge der Erzählung enthüllt. Liebe, Loyalität, Schuld sind die Grundmotive des aufwühlenden Films nach dem Bestseller-Roman von M. L. Stedman.
Thriller-Spezialist Denis Villeneuve („Sicario“) lieferte mit „Arrival“eine Science-FictionStory mit Amy Adams und Jeremy Renner ab, die ihn auch beide an den Lido begleiteten.
Handke als Schauspieler
Nachdem Ulrich Seidls Doku „Safari“heute außer Konkurrenz läuft, ist der einzige Film mit Österreich-Bezug im Hauptbewerb heuer Wim Wenders’ Beziehungsdrama „Die schönen Tage von Aranjuez“, basierend auf einem Theaterstück von Peter Handke. Die beiden arbeiteten schon bei mehreren von Wenders’ Filmen zusammen, etwa bei „Der Himmel über Berlin“.
In „Die schönen Tage von Aranjuez“geht es um die unterschiedlichen Vorstellungen und Wahrnehmungen, die ein Mann und eine Frau zum Leben haben. Handkes Ehefrau Sophie Semin hat die weibliche Hauptrolle inne, ihren Gegenpart spielt Reda Kateb. Es sei, so Wenders vor der Präsentation des Films, am Set „sehr familiär“zugegangen. Handke habe sich „aus der ganzen Vorbereitung des Films völlig herausgehalten. Auch beim Dreh war er nur an einem Tag dabei. Da hat er dann einen kleinen Gastauftritt als Gärtner gehabt. Aber er hat weder beim Drehbuch noch beim Schnitt in irgendeiner Weise Einfluss genommen.“Aber nicht nur Handke als Mime ist bemerkenswert; Wenders drehte in 3D, um seinen Traum einer „neuen Filmsprache“umzusetzen: „Ich war mir sehr sicher, dass 3D in der Lage ist, Charaktere und ihre Geschichten in einen Raum zu stellen, der absolut hyperrealistisch ist.“