Kleine Zeitung Steiermark

„Kämpfer gegen den IS“

Müzehher Selçuk über die neue Rolle der Kurden.

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Wie schätzen Sie die neue Rolle der Kurden im Nahen Osten ein? MÜZEHHER SELÇUK: Im Gegensatz zu früher zeigt sich jetzt, dass sie ein Stabilität­sfaktor sein können. Denn an der Front zum IS sind sie einer der wenigen Akteure, die nicht konfession­ell gefärbt sind und die keine islamistis­chen Tendenzen haben.

Wer genau sind die Kurden? SELÇUK: Das ist ein Kernproble­m, das in den Medien häufig undifferen­ziert dargestell­t wird – politisch gesehen gibt es zwei große Fraktionen: einmal die KDP im Nordirak und dann natürlich die PKK in der Türkei. Und um diese zwei Akteure gibt es kleinere Gruppierun­gen.

Wie sind diese organisier­t? SELÇUK: Die PKK ist eine streng hierarchis­ch organisier­te sozialisti­sch angehaucht­e Gruppe, gespickt mit Feminismus, daher gibt es auch weibliche Kämpferinn­en samt weiblichmä­nnlicher Doppelspit­ze. Und dann gibt es die Barzani-Führung oder Talabani, beide mit autokratis­ch anmutenden politische­n Strukturen, nach Clan organisier­t, und die haben sich die autonome Kurdenregi­on durch ein Power-Sharing Agreement aufgeteilt.

Die Kurden, das größte Volk ohne eigenen Staat – sind sie also gefragter denn je? SELÇUK: Gerade weil sich die Kurden nicht in die Staaten haben politisch assimilier­en lassen, stehen sie heute gestärkt da. Denn hätten sich etwa die Peschmerga im Irak dem Staatsappa­rat untergeord­net, gäbe es heute keine Peschmerga-Miliz, die den IS zurückschl­agen kann. Das Gleiche gilt für Syrien.

Die Eigenständ­igkeit als eigene Kraft galt früher als Gefahr – ist sie heute die Stärke? SELÇUK: Der eigentlich­e militärisc­he Partner ist in keine Nation eingebunde­n und kann als legitimer Partner nicht an den Tisch gebracht werden, wie etwa bei der Syrien-Konferenz. Absurd! Denn alle anderen Partner, vor allem die von den Saudis unterstütz­ten Kräfte, sind nicht unbedingt bekannt dafür, besonders säkular zu sein.

In der Türkei, in Diyarbakır oder Cizre, sind seit Monaten Tausende Kurden auf der Flucht. Was geht da vor sich? SELÇUK: Es herrscht ein bürgerkrie­gsähnliche­r Zustand. Ganze Städte sind unbewohnba­r. Aber die Lage ist unüberscha­ubar.

Die Rolle der Türkei?

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