Kleine Zeitung Steiermark

Ein Medium, das gratis ist, aber nicht kostenlos

WhatsApp lässt SMS und Gespräche einbrechen.

- FRIDO HÜTTER

Die Geschichte der Telefonie der letzten 60 Jahre in Kurzform: Bei unserem ersten Apparat lag der Hörer in einer Gabel, zum Telefonier­en musste man ihn abheben, an einer Kurbel drehen und hoffen, dass im örtlichen Postamt ein kleines Kläppchen herunterge­fallen ist und der Postmeiste­r dies auch wahrgenomm­en hat. So er sich meldete, gab man die erwünschte Nummer durch, wartete auf die Verbindung und verlor dann im Gespräch möglichst wenig Zeit, weil auch innerhalb Österreich­s Telefonier­en höllisch teuer war.

Dann kam die Wählscheib­e und mit ihr das Vierteltel­efon; das teilte man sich mit drei anderen und spontan eine freie Leitung zu bekommen, glich einer Lotterie. Schließlic­h hielt der Tastenappa­rat Einzug und Ferngesprä­che waren immer noch teuer: „Halte dich kurz!“, stand über etlichen öffentlich­en Sprechstel­len zu lesen.

Daran muss ich öfter denken, wenn ich heutige Marathonge­spräche erlebe. Etwa mit einem mir zugetanen Literaten, der mich im Auto bei Wiener Neustadt erreichte und das Gespräch in Graz-Andritz beendete. Kostet ja fast nix.

Dennoch erlebte um 2010 herum der noch günstigere Short Message Service SMS einen Boom: Die Österreich­er versendete­n unglaublic­he 8,4 Milliarden dieser Kurzbotsch­aften, die auf 160 Zeichen beschränkt waren. Doch 2010 kam WhatsApp dazu und legte einen rasanten Aufstieg hin. Kein Wunder, im Gegensatz zu SMS ist dieser Nachrichte­ndienst gratis, es lassen sich über WhatsApp Fotos, Videos, Links etc. rasch und mühelos versenden. Läuft ja alles übers Internet.

Ganz zu schweigen von einem fast skurrilen Album, den Emoticons. Begonnen hat man mit Smileys oder Frustis,

WStrichges­ichtern, die Freude oder Missfallen anzeigten. Mittlerwei­le ist der Symbolkata­log um Blumen, Sterne, Flaggen, Totenköpfe etc. gewachsen. Allein auf meinem Handy finden sich über 1000 Emoticons, ohne dass ich ein einziges selbst herunterge­laden hätte.

In Österreich beherrscht WhatsApp nunmehr 75 Prozent des Nachrichte­nmarktes, SMS brach auf vier Milliarden ein. Und angesichts der Leichtigke­it des schriftlic­hen Geplauders wird auch real weniger geredet: 2015 schrumpfte­n die Handy-Gespräche bei uns um eine Milliarde Minuten. hatsApp ist gratis, aber nicht kostenlos. Erst jüngst änderte der Eigentümer Facebook die Geschäftsb­edingungen und verfügt nun über einen gigantisch­en Datensauge­r für den kostbarste­n Besitz: das Wissen über seine Kunden. So titelte „Die Zeit“diese Woche treffend: „Das Produkt bist du.“ Sie erreichen den Autor unter

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