Das Gewicht des Messers
Die erst 27 Jahre alte Emma Cline hat einen der Romane dieses Jahres verfasst. „The Girls“befasst sich mit dem blutigen Manson-Mythos.
SAMSTAG,
E3. SEPTEMBER 2016, SEITE 81 s gilt, ein neues literarisches Großtalent zu vermelden: Emma Cline, 27, wohnhaft in Kalifornien. Wie fast jeder dort, sagt sie, sei sie seit Kindertagen mit dem blutigen Mythos der Manson Family konfrontiert worden. Ihr Romandebüt hat nun damit zu tun. Wenngleich irgendwie nur am Rande.
Zur Erinnerung: Im Sommer 1969 schlachteten die Frauen einer Hippie-Kommune sieben Menschen in Los Angeles ab. Darunter Sharon Tate, die hochschwangere Ehefrau der Regisseurs Roman Polanski. Angestiftet hatte sie der damals 35-jährige Charles Manson, ein kleinwüchsiger Typ mit wildem Blick, gescheiterter Musikerkarriere und dem Zeug zum Sektenführer. Einige der Frauen sind mittlerweile tot, Manson sitzt immer noch ein. Emma Cline. The Girls. Verlag Hanser, 347 Seiten, 22,70 Euro. Rand drängt und stattdessen einen beachtlichen Entwicklungsroman von juveniler Weiblichkeit bis hin zu einem dürren Lebensherbst verfasste. Und auch das Elend fehlgeschlagener Lebensentwürfe wird eindrucksvoll geschildert.
Dies und die machtvolle Sprache machen „The Girls“zu einem Ausnahmebuch, das wohl zu Recht gleich nach dem Erscheinen die Bestsellercharts der „New York Times“stürmte.
„Natürlich würde meine Hand das Gewicht eines Messers erhoffen. Die besondere Nachgiebigkeit des menschlichen Körpers. Es gab so vieles zu zerstören“, lässt sie ihre Protagonistin Evie an einer Stelle sagen. Dass dies dann nicht stattfand, ist die poetische Zauberformel dieses grandiosen Romans, der der Autorin bereits Riesenvorschüsse auf die nächsten Werke einbrachte.