Disqualifiziert
DDass ein Höchstrichter den ungewöhnlichen Schritt wählt und in Interviews Begründungen für ein Urteil nachreicht, mag man noch verstehen. Selten zuvor wurde eine Entscheidung des VfGH so heftig diskutiert wie die Aufhebung der Stichwahl.
Mit der Unterstellung, die FPÖ habe die Anfechtung von langer Hand geplant, hat Höchstrichter Schnizer den Bogen überspannt. Zwar steht die FPÖ mehr denn je als schlechter Verlierer da, keine einzige Anzeige ist seit der Wahl im Mai eingebracht worden. Warum ein Höchstrichter solche Spekulationen anstellt, ist unerklärlich. Mag sein, dass Schnizer in einem Gewissenskonflikt steckt – als Van-der-Bellen-Fan, der die Aufhebung betrieben hat, nun aber befürchten muss, dass die Wahl einen anderen Verlauf nimmt. ass VfGH-Präsident Holzinger die Aussagen als „Privatmeinung“abgetan hat, spricht Bände. Für den Chefsessel im VfGH, der 2017 vakant wird, hat sich Schnizer disqualifiziert. Wer eine überkorrekte Praxis bei der Stimmauszählung einmahnt, sollte überkorrekt zwischen seinen Rollen als Höchstrichter und als Privatmann unterscheiden können.