Der Sturm und die Stille
Herr Brugger, die Sportfreunde Stiller werden in diesem Jahr 20. Wie hat sich die Chemie der Band im Laufe der Zeit verändert? PETER S. BRUGGER: Sie verändert sich permanent. Am Anfang waren unsere Leben ganz anders, wir haben studiert oder gejobbt und als Highlight hatten wir ein Konzert. Fast alles drehte sich um die Band und das Feiern. Mit der Zeit haben wir Familien gegründet und die privaten Leben wurden größer. Damit stieg auch die Herausforderung, dass wir wieder zusammenfinden. In den Momenten, wo es zwischen uns wirklich scheppert, bin ich am Fluchen, aber mir wird dann schnell wieder klar, was für einen Wert diese Band darstellt. Was für ein Privileg es ist, mit Anfang 40 immer noch so ein Leben führen zu dürfen. Und auch dafür wollen wir den Fans Danke sagen.
Kann Rockmusik heute noch etwas verändern? Musik spricht so viele Menschen an. Wenn sie verbunden ist mit einer Message oder einer Haltung, die ein Künstler glaubhaft lebt, dann kann sie auf jeden Fall etwas verändern.
Sollte man als Künstler auf aktuelle politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Ereignisse reagieren? Man muss nicht, aber wenn die Ereignisse einen Einfluss auf das eigene Leben haben, dann fließen sie automatisch mit ein in die Musik. Das ist auf diesem Album passiert: Bei „Viel zu schön“oder bei „Zwischen den Welten“, das direkt nach den Anschlägen von Paris entstanden ist. Wir haben festgestellt, dass dieser Schlag da draußen bei uns etwas verändert und uns sehr bewegt hat. Gleichzeitig ist
aber gerade auch ein großes persönliches Glück da.
Warum werden jene verlieren, die „auf Menschen scheißen“? Also, wir hoffen es stark, dass die irgendwann verlieren. Weil wir letztendlich an das Gute glauben. Wenn wir solche Themen behandeln, gibt es bei uns irgendwann diesen Dreh zum Positiven. Das ist in uns dreien angelegt. Alles andere wäre bitter und traurig.
Der Song „Das Geschenk“ist eine Hymne auf den Menschen. Wie begründen Sie Ihren Glauben an den Menschen? Die Gefahr, den Glauben an ihn zu verlieren, ist immer da. Aber wenn ich mir zum Beispiel anschaue, wie jeder Mensch vollkommen und gut auf diese Welt kommt. Was dann mit manchen passiert, ist traurig und daraus resultiert Hass. Aber eigentlich haben wir alle den Wunsch, INTERVIEW. 20 Jahre und kein bisschen leiser. Die Sportfreunde Stiller, derzeit auf Tournee, schlagen neuerdings auch mehr politische Töne an. Ein Gespräch mit Bandleader Peter S. Brugger. friedlich miteinander zu leben. Ich habe oft tolle Begegnungen mit Menschen, die mich inspirieren. Ich glaube daran, dass die guten überwiegen.
Die Sportfreunde Stiller haben gegen Islamkritiker und Rassismus demonstriert. Spornt der Rechtsruck in der Gesellschaft Sie geradezu an, Songs zu schreiben, die das Leben feiern? Nicht als direkte Reaktion. Unsere Songs entstehen eher aus einem Gefühl der Euphorie heraus. Wenn ich aber sehe, dass da ein Rechtsruck passiert, dann ist mir klar, dass das schon aus der Geschichte heraus falsch ist. Ich hoffe, dass das viele andere auch so sehen. Das spornt mich an, Lieder zu schreiben, die das klar äußern.
Was muss sich ändern, damit sich Jugendliche nicht mehr Subkulturen wie dem Rechtsextremismus anschließen? Das ist ein weites Feld. Problematisch wird es, wenn junge Menschen sich einsam und verloren fühlen und weder in der Familie noch in der Schule aufgefangen werden. Was in meinen Kopf nicht reinwill, ist, wie viel Geld für Rüstung ausgegeben wird. Und was wir an Waffen exportieren! Gleichzeitig wollen wir aber nichts mit den Konsequenzen zu tun haben. Also mit jenen Menschen, die aus den Krisengebieten flüchten, in die wir Waffen liefern. Das kann nicht sein! In meiner Vorstellung müsste man all das Geld nehmen, um sich damit hier um Menschen zu kümmern, die sich nicht aufgehoben fühlen, die nicht genügend Bildung bekommen. Damit wäre schon vieles getan. Aber vielleicht bin ich da auch sehr naiv. Konzert-hinweis: Heute gastieren die Sportfreunde Stiller im Grazer Orpheum. Das Konzert ist allerdings längst ausverkauft.