Das Märchen von den unwirksamen Verboten
Der seit Tagen diskutierte Vorschlag der Familienministerin, das Schutzalter bezüglich Tabakkonsum auch in Österreich auf 18 Jahre zu erhöhen, ist vernünftig und auch längst überfällig. Prompt wird wieder die Legende von der angeblichen Wirkungslosigkeit von Verboten aufgewärmt.
Dieses Märchen entstand mit dem Aufkeimen tiefenpsychologischer Interpretationen, die den Blick für die Zwiespältigkeit vieler Lebenssituationen geöffnet haben. Dabei wurde gleich manches pauschal ins Gegenteil verkehrt.
Jeder Straftäter sei in Wirklichkeit ein Opfer, und eben jedes Verbot würde das untersagte Verhalten erst recht fördern. Zutreffend? Wohl kaum: Die zwischen 1938 und 1945 „erlaubten“Verbrechen gegen Leib, Leben und Menschlichkeit sind zu anderen Zeiten, in denen sie glücklicherweise wirksam verboten waren und sind, verschwindend selten.
Oder als harmloseres Beispiel die Gurtenpflicht: Erst seitdem man nicht mehr unangegurtet Auto fahren darf und das auch sanktioniert wird, wurde das Gurtanlegen populär – und hat mitgeholfen, jährlich Hunderte Menschenleben
„Erst seitdem man nicht mehr unangegurtet Auto fahren darf und dies sanktioniert wird, wurde das Gurtanlegen populär.“
zu retten.
Und bei Suchtmitteln? Verbotenes hat zwar einen Reiz, aber der dominierende Effekt ist ein anderer: Was erlaubt ist, wird in großem Umfang und selbstverständlich gemacht, und es lockt die jeweils nächste Schranke, um auch noch übertreten zu werden. enerationen österreichischer Gesundheitsministerinnen mussten sich auf Aufklärungskampagnen beschränken. Der daraus resultierende unfreiwillige „Feldversuch“dokumentiert das Versagen.
Während man in den meisten zivilisierten Ländern die Wirksamkeit rechtlicher Maßnahmen längst bewiesen hat, ist Österreich, wo man mit Verboten allzu lange gezögert hat, zum traurigen Weltmeister mit der höchsten Zahl jugendlicher Raucher geworden. Und dann im Zusammenhang mit einer lebensgefährlichen Suchterkrankung noch von freier Entscheidung zu sprechen, ist nicht bloß Zynismus.
Es ist verantwortungslos. Josef Smolle ist Arzt und Universitätsprofessor