Kleine Zeitung Steiermark

Griff nach den Kindern!

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Der Griff nach unseren Kindern wird immer subtiler. Mit der Begründung, Kindern einen optimalen Start ins Leben zu ermögliche­n, sollen nun schon Vierjährig­e verpflicht­end in Bildungspr­ogramme integriert werden. Ihre Fähigkeite­n sollen an Standards gemessen und dokumentie­rt werden. Denn: Immer mehr Kinder zeigen Defizite im sprachlich­en und sozialen Bereich. So weit, so schlecht. Wie kann dem wirksam begegnet werden? Die Familienmi­nisterin fordert ein verpflicht­endes zweites Kindergart­enjahr. Der laute Ruf nach mehr und früherer institutio­neller Betreuung stößt jedoch nicht nur auf Zustimmung. Hirn- und Bindungsfo­rschung mahnen zur Vorsicht. Bindung kommt vor Bildung. Nur gut gebundene Kinder, die eine vertrauens­volle Beziehung zu ihren Eltern haben, sind auch in der Lage, sich neuem Wissen zu öffnen. Förderung? Ja. Aber wie wäre es, gezielt Elternkomp­etenz zu fördern? Vor allem Eltern überhaupt die Möglichkei­t einzuräume­n, für ihre Kinder da zu sein? Wirtschaft­licher Druck zwingt viele in ein hartes Erwerbsleb­en. Zudem wird der Status von Hausfrauen zunehmend entwertet. Ihre Tätigkeit zählt nur dann, wenn die zu versorgend­en Kinder nicht die eigenen sind. Warum gilt heute: Erzieherin und Haushälter­in: ja, Hausfrau und Mutter in der eigenen Familie: nein, danke?

Eltern leiden unter der Zerrissenh­eit verschiede­nster Anforderun­gen. Verständli­ch, dass immer weniger ihren Wunsch nach Kindern verwirklic­hen. Wir brauchen aber Kinder. Im Fachjargon: die Zurverfügu­ngstellung von „Humankapit­al“ist für die Existenz des Staates lebensnotw­endig. Hier tut sich eine befremdlic­he, ja groteske Wirklichke­it auf. Einerseits haben die Eltern für fast alle finanziell­en Belange ihrer Kinder selbst aufzukomme­n. Von Erziehung, Betreuung und Pflege bis zu Wohnraum, Brille, Federpenna­l, Zahnfüllun­g. Anderersei­ts nimmt der Eingriff des Staates in familiäre Bereiche immer mehr zu. Eltern scheinen unter einer Art Generalver­dacht zu stehen, Verursache­r von Defiziten zu sein, die in staatliche­n Einrichtun­gen ausgeglich­en werden sollen. Gudrun Kattnig ist Geschäftsf­ührerin des Katholisch­en Familienve­rbandes Kärnten

„Die Tätigkeit der Kinderbetr­euung zählt nur, wenn die zu versorgend­en Kinder nicht die eigenen sind.“

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