Millionenklagen: Die Frage der Geschäftsfähigkeit
Regelmäßig beurteilen Gutachter in Prozessen gegen Glücksspielfirmen die Geschäftsfähigkeit Spielsüchtiger.
sterreichs Gerichte sind laufend mit Entschädigungsklagen gegen Glücksspielunternehmen wie Novomatic, Casinos Austria oder Betreiber von Wettcafés beschäftigt. Im Kern geht es bei diesen Prozessen um die Frage, ob die Kläger wirklich spielsüchtig und in der Folge teilweise geschäftsunfähig waren. Falls dies vom Gutachter bejaht wird, haben sie gute Chancen, verspieltes Geld zurückzubekommen. Diese Sachverständigen vertreten durchaus unterschiedliche Meinungen, manche gelten in der Branche als „pro Kläger“, andere sind bezüglich der Sucht tendenziell skeptisch.
Meist betreffen diese Klagen die alte Rechtslage: Das sogenannte kleine Glücksspiel an Automaten war früher nicht im Bundes-glücksspielgesetz (GSPG) geregelt, sondern alleinige Ländersache. Die Vorgaben punkto Spielerschutz waren nicht so streng, das Überschreiten von Maximaleinsätzen wurde in der Praxis kaum sanktioniert. In Wien wurde das Automatenglücksspiel beispielsweise Anfang 2015 verboten.
In einem aktuellen Fall etwa forderte ein Wiener am Landesgericht Korneuburg von einer früheren „Wettpunkt“betreiberfirma mehr als 1,2 Millionen Euro, blitzte damit aber ab. Wie es in dem nicht rechtskräftigen Beschluss heißt, führe Spielsucht nicht per se zu einer „Aufhebung der eigenverantwortlichen Handlungsfähigkeit“, sondern nur im Zusammenspiel mit einer Erkrankung, „die den Realitätsbezug schwer stört und zu einer ‚vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit‘ führt“. Eine solche Geisteskrankheit sei beim Kläger nicht vorgelegen.
Der Mann hatte seit 2006 regelmäßig in Automatencasinos gezockt und dabei auch viel Alkohol konsumiert. Mit einem Freund habe er oftmals zwischen 24 und 36 Stunden durchgehend an den Automaten gespielt und sich sogar von Mitarbeitern der Lokale in die jeweilige Spielkoje einsperren lassen, um ungestört zocken zu können. So habe er im Monat zwischen 7000 und 20.000 Euro verspielt. Insgesamt war der Kläger seit 2006 mehr als 20 Mal in stationärer psychiatrischer Behandlung.