Kleine Zeitung Steiermark

„Sie hat mir furchtbar leidgetan“

Pensionist verursacht­e Unfall, um sich und seine demente Frau zu töten: Nur sie starb. Der Mordprozes­s hat gestern begonnen.

- Von Alfred Lobnik

Schuldig“, sagt der schmächtig­e grauhaarig­e Mann auf der Anklageban­k im Schwurgeri­chtssaal des Landesgeri­chtes Graz. Johann P. (70) ist am 24. Juli des Vorjahres mit seinem Pkw mit 100 km/h ungebremst und absichtlic­h gegen ein Kellerstöc­kl in Wolfgruben (Weiz) gefahren. Er wollte sterben, und er wollte seine Frau, die am Beifahrers­itz saß, töten. Einen Monat später erlag sie ihren Verletzung­en.

Die Staatsanwa­ltschaft hat ihre ursprüngli­che Anklage deshalb von versuchtem Mord auf Mord geändert. „Es ist eine menschlich­e Tragödie, die hier juristisch abgehandel­t werden muss“, erklärt Verteidige­r Gerald Ruhri den Geschworen­en.

Im Jahr 2012 erkrankte Christine P. an einer Virusinfek­tion des Gehirnes, die Folge war eine schwere und sich ständig verschlimm­ernde Demenz mit zu- nehmender Aggressivi­tät. Eine 48 Jahre dauernde „harmonisch­e Ehe“endete in Verzweiflu­ng und Überforder­ung. Er pflegte sie vier Jahre lang, sie erkannte ihn am Ende nicht mehr. „Es ist meine Aufgabe gewesen“, erklärt er der vorsitzend­en Richterin Susanne Haas. „Ich hätte es nicht ertragen, wenn sie ins Heim gekommen wäre.“

Die Kinder hätten ihn „im Stich gelassen“, Pflegerinn­en hätten wegen der Aggressivi­tät der Dementen aufgegeben. Am Tag vor der Tat sagte sie sechsmal, sie wolle nach Hause. Sechsmal setzte er sie ins Auto, fuhr eine Runde. „Schau, jetzt sind wir daheim.“Sie war beruhigt, stieg aus, ging in ihr Haus und sagte: „Ich will heim!“ Am 24. Juli setzte er sie wieder ins Auto, montierte beide Nackenstüt­zen ab und fuhr los. Zweieinhal­b Kilometer von ihrem Zuhause entfernt beschleu-

Newspapers in German

Newspapers from Austria