Der Anti-schulz aus Rom
Auf Samtpfoten ist Antonio Tajani an die Spitze des Eu-parlaments gelangt.
Vor ein paar Monaten schien es noch, als sei er der Einzige, der an sich glaubte. Der fest daran glaubte, dass er an die Spitze des Europaparlaments gewählt werden könnte. Zu sehr schien er kompromittiert durch seine Nähe zu Italiens gefallenem Ex-premier Silvio Berlusconi, seinem alten Mentor und Freund.
Doch am Ende hat es Antonio Tajani, 63, allen gezeigt. Und er tat das nicht, indem er den großen Zampano hervorkehrte, wie man das von seinem Vorgänger, Martin Schulz, gewohnt war. Sondern der eloquente, bestens vernetzte und stets elegant gekleidete Konservative zog alle Register seiner Überredungskunst, warb hinter den Kulissen mit Charme, Fleiß und Beharrlichkeit in der eigenen Fraktion und beim politischen Gegner für sich, um jetzt, da er gleichsam auf Samtpfoten sein Ziel erreicht hat, das Versprechen abzugeben, ein „Präsident für alle“zu sein.
Politisch ist das ein Minimalprogramm. Aber große Visionen, so heißt es, seien von Tajani sowieso nicht zu erwarten. Der in Rom geborene Sohn eines Luftwaffenoffiziers gilt als geschmeidiger Pragmatiker. Ideologische Eiferei ist ihm fremd. Seine ersten politischen Gehversuche bei den Jungmonarchisten endeten abrupt, als ihm linke Mitschüler dafür eine Tracht Prügel verpassten. Erst seine Arbeit als Redakteur bei der Tageszeitung „Il Giornale“führte den studierten Juristen so richtig in die Politik an Berlusconis Seite, mit dem er die „Forza Italia“gründete und dem er als Pressesprecher diente.
In das Eu-parlament wurde Tajani zum ersten Mal 1994 gewählt, 2008 wurde er vom „Cavaliere“als Eu-kommissar nach Brüssel entsandt, wo er in der Abgasaffäre alles andere als „bella figura“machte. Gefälligkeit gegenüber der Autolobby warf man ihm damals vor. Doch der Karriere des „Presidente“hat es keinen Abbruch getan. Stefan Winkler