Nachklang eines nicht überwundenen Traumas
Casey Affleck brilliert im Familiendrama als ein vom Schicksal gebeutelter Einzelgänger:
Einem breiteren Publikum ist der New Yorker Dramatiker, Regisseur und Drehbuchautor Kenneth Lonergan (Jahrgang 1962) bisher noch nicht bekannt. Auch wenn er vor drei Monaten bei der Viennale groß präsentiert wurde. Er steuerte bei diesem Festival mit „Manchester by the Sea“den Eröffnungsfilm bei. Seit der Uraufführung dieses Familiendramas beim Independent-festival von Sundance vor ziemlich genau einem Jahr sind Lonergans Aktien sowie die seines Hauptdarsteller Casey Affleck, Bruder des (noch) berühmteren Ben, immens gestiegen.
Sein Bruder (Kyle Chandler) ist tot, seine Ex-frau (Michelle Globe für Casey Affleck (links) Williams) wieder schwanger und sein 16-jähriger Neffe (Lucas Hedges) im Hormonrausch – mit einem Schlag ist in Lees Leben nichts mehr, wie es war. Um den Nachlass seines verstorbenen Bruders zu regeln, kehrt der schweigsame Einzelgänger widerwillig in seine Heimatstadt „Manchester by the Sea“zurück. Doch anders als geplant wird der Kurzauf- enthalt zu einer emotionalen Tour de Force, die alte und neue Wunden aufreißt.
Wie in seinem Erstlingswerk „You Can Count on Me“und in „Margaret“sind auch in Kenneth Lonergans dritter Regiearbeit ein Unfall und seine dramatischen Folgen das zentrale Motiv für eine elliptische Erzählung. Geschickt setzt der Filmemacher und Drehbuchautor Rückblenden ein, um sein berührendes Drama puzzleartig in Szene zu setzen.
Zu Recht darf Casey Affleck nach Gewinn des Golden Globes als bester männlicher Hauptdarsteller nun auf den Oscar in der gleichen Kategorie hoffen. JB