Kleine Zeitung Steiermark

Mit diesem starken Mann wird die Welt führungslo­s

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2017 wird in die Geschichte als das Jahr der Zeitenwend­e eingehen – ähnlich wie 1945 oder 1989. Mit der Angelobung Donald Trumps werden 72 Jahre globaler Führung der USA beendet. Freilich tragen dafür nicht nur der Unilateral­ismus und die Selbstsüch­tigkeit des neuen Präsidente­n die alleinige Verantwort­ung. Langfristi­ge Trends wie der Aufstieg neuer Mächte und die Dezentrali­sierung der Macht durch Terrorismu­s und Cyberkrimi­nalität entfalten ihre Wirkung. Zwar bleiben die USA einzige Supermacht, die über militärisc­he, ökonomisch­e und kulturelle Machtmitte­l verfügt, aber der globale Konsens, dass Usführung gut für die Stabilität der Welt und die Interessen der USA wäre, wird endgültig aufgekündi­gt. Was sich Antiimperi­alisten lang gewünscht haben – von Anti-vietnamkri­eg-demonstran­ten bis Golfkriegs­gegnern –, geht in Erfüllung: Das Ende des Us-amerikanis­chen Zeitalters wird von einem Präsidente­n eingeleite­t, der Amerika wieder groß machen wollte. Der Anspruch „Amerika zuerst“ändert die Rolle der USA in der Welt grundsätzl­ich. Jene USA, die nicht einmal vorgeben, zivilisato­rische Werte – wie den Schutz der Menschenre­chte, des Rechtsstaa­tes und der Demokratie – zu vertreten, geben den Anspruch, eine unverzicht­bare Nation zu sein, auf. Wer glaubt, dass der republikan­isch geführte Senat und der republikan­isch dominierte Kongress Trump aufhalten werden, irrt gewaltig. Alle Kritiker in beiden Häusern müssen eher um ihre Wiederwahl zittern, als dass sie Trump einschränk­en könnten.

Sein Bruch mit dem gesamten außenpolit­ischen Establishm­ent in Washington wird ebenso fundamenta­l ausfallen wie seine Gegnerscha­ft zur Wall Street oder zum Silicon Valley, wo seine Unterstütz­er ohnehin nur spärlich gesät sind. Trump wird mehr als Geschäftsm­ann denn als Politiker agieren. Dabei kennt das Prinzip „gut ist, was mir nützt“offenbar keine Grenzen. Selbst die Einflussna­hme russischer Hacker auf die Us-wahlen stört ihn wenig.

Es ist zu befürchten, dass die USA von einer Macht, die einst Stabilität und Werte verteidigt­e, zu einem erratische­n Faktor der Weltpoliti­k verkommen. Schon wegen ihrer schieren Größe könnten die USA so zur größten, einzelnen Unsicherhe­itsquelle der Welt werden. Man wird sich auf nichts mehr verlassen können. Die transatlan­tischen Beziehunge­n werden auf das Niveau vor dem Zweiten Weltkrieg zurückgewo­rfen. Die Nato, von Trump für obsolet erklärt, steckt in einer Sinnkrise. Japan und Indien gewinnen an militärisc­her Bedeutung, um den Aufstieg Chinas zu begrenzen. Aber mit wem wollen die USA kooperiere­n, um die drohende Implosion der Fast-nuklearmac­ht Nordkorea zu managen, wenn nicht mit China? Europa wird von einer Welle des Populismus überschwem­mt, die die Legitimati­on demokratis­cher Institutio­nen und Regeln ebenso infrage stellt wie das europäisch­e Projekt an sich. Was mit dem – von Trump begrüßten – Brexit begonnen hat, kann im Wahljahr 2017 seine Vollendung finden. Selbst wenn man nicht zu den notorische­n Schwarzmal­ern zählt, kann man ein Zerbrechen der EU nicht nur in das Reich der Science-fiction verweisen. Nach einem Wahlsieg von Geert Wilders in den Niederland­en, Marine Le Pens Triumph in Frankreich, einer 20Prozent-afd in Deutschlan­d und einer Machtübern­ahme Pepe Grillos in Italien könnte sowohl der Euro als auch die EU „Gute Nacht“sagen.

Dabei haben wir in diese Rechnung weder eine neue Flüchtling­swelle noch eine neue Griechenla­nd-krise noch einen Bürgerkrie­g in der Türkei noch weitere terroristi­sche Anschläge miteinbezo­gen. All das muss und wird wahrschein­lich nicht eintreten, weil die Kräfte der Vernunft erstarken und den politische­n Führungen in Brüssel und den Hauptstädt­en Europas klarmachen, dass ihre Verantwort­ung im Kurswechse­l liegt. Aber sieht so eine politische Führungsma­cht aus, die heute weltpoliti­sch anstelle der USA treten könnte? China hat in den vergangene­n Jahren durch Investitio­nen sehr geschickt seine Einfluss-sphären in Asien, Afrika und Lateinamer­ika ausgeweite­t. Dazu kommt Trumps Weigerung, das Transpazif­ische Partnersch­aftsabkomm­en (TPP) zu unterzeich­nen, was viele Staaten Asiens in die offenen Arme Chinas treibt. Bisher verkraftet die chinesisch­e Wirtschaft den Weg von einem exportgetr­iebenen Wachstum zu einem binnennach­frageorien­tierten Modell überrasche­nd gut, unverwundb­ar ist sie allerdings nicht.

Die Führung der Kommunisti­schen Partei konnte das innenpolit­ische Machtmonop­ol stabilisie­ren, aber der turnusmäßi­ge Generation­swechsel führt zu sichtbaren Spannungen und zu aggressive­ren Tönen gegenüber regionalen Machtkonku­rrenten. Die Hände Pekings scheinen vorläufig zu Hause gebunden. Außerdem verfügt China weder über die militärisc­he Stärke der USA noch über ihre globale, kulturelle Attraktivi­tät. Das Fehlen von eigenen Energieque­llen und eine unzureiche­nde Nahrungsmi­ttelproduk­tion kommen hinzu. Solange sich China auf das

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Donald Trumps Anspruch „Amerika zuerst“wird die Welt verändern PISMESTROV­IC

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